DIE ERFURTER UNIONSVERFASSUNG

 

 

Entwurf der Verfassung des Deutschen Reiches dem in Erfurt tagenden ”Deutschen Parlament" von den verbündeten Regierungen vorgelegt am 20. März 1850.

(Die Erfurter Unionsverfassung stimmt mit der Frankfurter Reichsverfassung in der Mehrzahl der Paragraphen überein. Insoweit ist in der nachfolgenden Wiedergabe auf die entsprechenden Bestimmungen der Frankfurter Reichsverfassung verwiesen. Die abweichenden Paragraphen sind im nachstehenden Text wiedergegeben. Durchweg finden sich in der Erfurter Unionsverfassung die Worte ”Reichsvorstand" und ”Reich", wo es in der Frankfurter Reichsverfassung ”Reichsoberhaupt" und ”Deutschland" heißt. Diese Abweichungen sind in der nachstehenden Wiedergabe nicht besonders kenntlich gemacht. Ebenso ist auf die Hervorhebung kleinerer stilistischer Aenderungen verzichtet.

Die von dem Erfurter Parlament beschlossenen Revisionsvorschläge, die nicht weniger als 38 Paragraphen betrafen, waren meist geringfügiger Natur und sind daher im Text nicht vermerkt. Ebenso ist die Additionalakte zur Erfurter Unionsverfassung, durch die eine Reihe von Verfassungsbestimmungen modifiziert ward, nicht mit abgedruckt.)

 

ABSCHNITT I

DAS REICH

 

Artikel I

 

§ 1 – Das Deutsche Reich besteht aus dem Gebiete derjenigen Staaten des bisherigen Deutschen Bundes, welche die Reichsverfassung anerkennen. Die Festsetzung des Verhältnisses Oesterreichs zu dem Deutschen Reiche bleibt gegenseitiger Verständigung vorbehalten.

§§ 2-5 – wie §§ 2-5 Frankfurter RV.

 

Abschnitt II

Die Reichsgewalt

 

Artikel II

 

§ 6 – wie § 6 Frankfurter RV.

§ 7 – Die einzelnen Deutschen Regierungen haben ihr Recht, ständige Gesandte zu empfangen oder solche zu halten, auf die Reichsgewalt übertragen. Auch werden dieselben keine besonderen Konsuln halten. Die Konsuln fremder Staaten erhalten ihr Exequatur von der Reichsgewalt. Die Absendung von Bevollmächtigten an den Reichsvorstand oder andere Deutsche Regierungen ist den einzelnen Regierungen unbenommen.

§ 8 – Die einzelnen Deutschen Regierungen sind befugt, Verträge mit andern Deutschen Regierungen abzuschließen. Ihre Befugniß zu Verträgen mit nichtdeutschen Regierungen beschränkt sich auf Gegenstände, welche nicht der Zuständigkeit der Reichsgewalt zugewiesen sind.

§ 9 – wie § 9 Frankfurter RV.

 

Artikel II

 

§ 10 – wie § 10 Frankfurter RV.

§ 11 – Im Kriege, oder in Fällen nothwendiger Sicherheitsmaßregeln im Frieden, steht der Reichsgewalt die gesammte bewaffnete Macht des Reiches zur Verfügung.

§ 12 – wie § 12 Frankfurter RV.

§ 13 – Die Reichsgewalt hat in Betreff des Heerwesens die allgemeine Gesetzgebung, und überwacht die Durchführung derselben in den einzelnen Staaten durch fortdauernde Kontrole. Den einzelnen Staaten steht die Ausbildung ihres Kriegswesens auf Grund der Reichsgesetze, der Wehrverfassung und in den Grenzen der nach § 12 abgeschlossenen Vereinbarung zu; sie haben die Verfügung über ihre bewaffnete Macht, soweit dieselbe nicht nach § 11 für den Dienst des Reiches in Anspruch genommen wird.

§ 14 – Der von der Reichsgewalt ernannte Feldherr und diejenigen Generale, welche von diesem zum selbstständigen Kommando einzelner Korps bestimmt werden, so wie die Gouverneure, Kommandanten und höheren Festungsbeamten der Reichsfestungen, leisten dem Reichsvorstande und der Reichsverfassung den Eid der Treue.

§§ 15 und 16 – wie §§ 15 und 16 Frankf. RV.

§ 17 – Die Besetzung der Befehlhaberstellen und die Ernennung der Offiziere in den einzelnen Kontingenten bis zu den diesen Kontingenten entsprechenden Graden ist den betreffenden Regierungen überlassen; nur wo die Kontingente zweier oder mehrerer Staaten zu größeren Ganzen kombinirt sind, ernennt die Reichsgewalt unmittelbar die Befehlshaber dieser Korps, in sofern deren Grad nicht innerhalb der Ernennungsbefugniß einer der betheiligten Regierungen liegt.

Für den Krieg ernennt aie Reichsgewalt die kommandirenden Generale der auf den verschiedenen Kriegstheatern operirenden selbstständigen Korps.

§§ 18-19 – wie §§ 18-19 Frankf. RV.

 

Artikel III

 

§ 20 – wie § 20 Frankfurter RV.

§ 21 – Die Reichsgewalt hat die Oberaufsicht über diese Anstalten und Einrichtungen.

Es steht ihr zu, die betreffenden Staaten zu gehöriger Unterhaltung derselben anzuhalten.

§§ 22 und 23 – wie §§ 22 und 23 Frankf. RV

 

Artikel V

 

§ 24 – Die Reichsgewalt allein hat die Gesetzgebung über den Schifffahrtsbetrieb und über die Flößerei auf denjenigen Flüssen, Kanälen und Seen, welche mehrere Deutsche Staaten im schiffbaren oder flößbaren Zustande durchströmen oder begrenzen. Sie überwacht die Ausführung der darüber erlassenen Gesetze. Sie hat die Oberaufsicht über die ebenbezeichneten Wasserstraßen und über die Mündungen der in dieselben sich ergießenden Nebenflüsse.

Es steht ihr zu, im Interesse des allgemeinen Deutschen Verkehrs, die einzelnen Staaten zur gehörigen Erhaltung und Verbesserung der Schiffbarkeit jener Wasserstraßen und Flußmündungen anzuhalten. Die Wahl der Verbesserungs-Maßregeln und deren Ausführung verbleibt den einzelnen Staaten. Ueber die Aufbringung der erforderlichen Mittel ist nach Maßgabe der reichsgesetzlichen Bestimmung zu entscheiden. Alle übrigen Flüsse, Kanäle und Seen bleiben der Fürsorge der einzelnen Staaten überlassen.

§ 25 – wie § 25 Frankf. RV.

§ 26 – Die Hafen-, Krahn-, Waag-, Lager-, Schleusen- und dergleichen Gebühren, welche an den gemeinschaftlichen Flüssen und den Mündungen der in dieselben sich ergießenden Nebenflüsse erhoben werden, dürfen die zur Unterhaltung derartiger Anstalten nöthigen Kosten nicht übersteigen.

Es darf in Betreff dieser Gebühren keinerlei Begünstigung der Angehörigen eines Deutschen Staates vor denen anderer Deutschen Staaten stattfinden.

§ 27 – wie § 27 Frankf. RV.

 

ARTIKEL VI

 

§ 28 – wie § 28 Frankf. RV.

§ 29 – Die Reichsgewalt hat das Recht, soweit sie es zum Schutze des Reiches oder im Interesse des allgemeinen Verkehrs für nothwendig erachtet, Eisenbahnen anzulegen, wenn der Einzelstaat, in dessen Gebiet die Anlage erfolgen soll, deren Ausführung ablehnt. Die Benutzung der Eisenbahnen für Reichszwecke steht der Reichsgewalt jederzeit gegen Entschädigung frei.

§§ 30 und 31 – wie §§ 30 und 31 Frankf. RV.

§ 32 – Der Reichsgewalt steht das Recht zu, zum Schutze des Reiches oder im Interesse des allgemeinen Deutschen Verkehrs zu verfügen, daß aus Reichsmitteln Landstraßen und Kanäle angelegt, Flüsse schiffbar gemacht oder in ihrer Schiffbarkeit erweitert werden. Die Anordnung der dazu erforderlichen wasserbaulichen Werke erfolgt nach vorgängiger Verständigung mit den betheiligten einzelnen Staaten; diesen bleibt die Ausführung und auf Reichskosten die Unterhaltung der neuen Anlagen überlassen.

 

Artikel VII

 

§§ 33 und 34 – wie §§ 33 und 34 Frankf. RV.

§ 35 – Die Erhebung und Verwaltung der Zölle so wie der gemeinschaftlichen Produktions- und Verbrauchs-Steuern, geschieht unter Oberaufsicht der Reichsgewalt.

§§ 36-40 – wie §§ 36-40 Frankf. RV.

 

ARTIKEL VIII

 

§ 41 – Einziger Absatz wie Frankf. RV. § 41, Abs. 1.

§ 42 – Postverträge mit ausländischen Postverwaltuligen dürfen nur mit Genehmigung der Reichsgewalt geschlossen werden.

§ 43 – wie § 44 Frankf. RV.

 

ARTIKEL IX

 

§§ 44 und 45 – wie §§ 45 und 46 Frankf. RV.

§ 46 – Der Reichsgewalt steht über das Bankwesen und das Ausgeben von Papiergeld die Erlassung allgemeiner Gesetze und die Oberaufsicht zu.

 

ARTIKEL X

 

§ 47 – wie § 48 Frankf. RV.

§ 48 – Zur Bestreitung seiner Ausgaben ist das Reich zunächst auf die Matrikular-Beiträge der einzelnen Staaten angewiesen.

§ 49 – Die Reichsgewalt ist befugt, in außerordentlichen Fällen Anleihen zu machen oder sonstige Schulden zu contrahiren.

 

ARTIKEL XI

 

§ 50 – wie § 51 Frankf. RV.

 

ARTIKEL XII

 

§§ 51-59 – wie §§ 53–61 Frankf. RV.

 

ARTIKEL XIII

 

§ 60 – wie § 62 Frankf. RV.

§§ 61-63 – wie §§ 64–66 Frankf. RV.

 

ARTIKEL XIV

 

§ 64 – wie § 67 Frankf. RV.

 

ABSCHNITT III

DAS REICHSOBERHAUPT

 

ARTIKEL I

 

§ 65 – Die Regierung des Reiches wird von einem Reichsvorstande an der Spitze eines Fürsten-Kollegiums geführt.

§ 66 – Die Würde des Reichsvorstandes ist mit der Krone von Preußen verbunden.

§ 67 – Das Fürsten-Kollegium besteht aus 6 Stimmen, und zwar:

1. Preußen,

2. Bayern,

3. Württemberg, Baden, beide Hohenzollern,

4. Sachsen, die sächsischen Herzogthümer, Reuß, Anhalt, Schwarzburg,

5. Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Mecklenburg, Holstein, die Hansestädte,

6. Kurhessen, Hessen-Darmstadt, Nassau, Hessen-Homburg, Luxemburg und Limburg, Waldeck, Lippe-Detmold, Schaumburg-Lippe, Frankfurt.

Die Staaten, welche einen gemeinschaftlichen Bevollmächtigten zum Fürsten-Kollegium bestellen, haben sich über dessen Wahl zu verständigen; für den Fall der Nicht-Verständigung wird ein Reichsgesetz die Mitwirkung der Betheiligten bestimmen.

 

ARTIKEL II

 

§ 68 – Der Reichsvorstand wird während der Dauer des Reichstages am Sitze der Reichs-Regierung residiren. So oft sich der Reichsvorstand nicht am Sitze der Reichs-Regierung befindet, muß einer der Reichs-Minister in seiner unmittelbaren Umgebung sein.

§ 69 – wie § 73, Abs. II Frankf. RV.

§ 70 – wie § 74 Frankf. RV.

 

ARTIKEL III

 

§§ 71-75 – wie §§ 75–79 Frankf. RV.

§ 76 – Das Fürsten-Kollegium unter dem Vorsitze des Reichsvorstandes, oder in dessen Verhinderung unter dem Vorsitze Bayerns, hat das Recht des Gesetzvorschlages. Es übt die gesetzgebende Gewalt in Gemeinschaft mit dem Reichstage unter den verfassungsmäßigen Beschränkungen aus.

§ 77 – Das Fürsten-Kollegium faßt seine Beschlüsse durch absolute Majorität der anwesenden Bevollmächtigten. Bei gleicher Stimmenzahl entscheidet die Stimme des Vorsitzenden.

§ 78 – Der Reichsvorstand verkündigt die Reichsgesetze und erläßt die zur Vollziehung derselben nöthigen Verordnungen.

§§ 79-81 – wie §§ 81–83 Frankf. RV.

§ 82 – Ueberhaupt hat der Reichsvorstand in allen Angelegenheiten des Reiches nach Maßgabe der Reichs-Verfassung die Regierungs-Gewalt, welche derselbe nach § 76 als Theilhaber an der gesetzgebenden Gewalt, unter Zustimmung und in Verbindung mit dem Fürsten-Kollegium, ausübt.

Dem Reichsvorstande stehen diejenigen Rechte und Befugnisse zu, welche in der Verfassung der Reichsgewalt beigelegt und dem Reichstage nicht zugewiesen sind.

 

ABSCHNITT IV

DER REICHSTAG

 

ARTIKEL I

 

§ 83 – wie § 85 Frankf. RV.

 

ARTIKEL II

 

§ 84 – wie § 86 Frankf. RV.

§ 85 – Solange die Deutsch-Oesterreichischen Lande an dem Bundesstaate nicht Theil nehmen, vertheilt sich die Zahl der Mitglieder des Staatenhauses nach folgendem Verhältniß:

Preußen: 40 Mitglieder

Bayern: 20

Sachsen: 12

Hannover: 12

Würtemberg: 12

Baden: 10

Kurhessen: 7

Großherzogthum Hessen: 7

Holstein: 6

Mecklenburg-Schwerin: 4

Luxemburg-Limburg: 3

Nassau: 4

Braunschweig : 2

Oldenburg: 2

Sachsen-Weimar. 2

Sachsen-Koburg-Gotha : 1 Mitglied

Sachsen-Meiningen-Hildburghausen      1

Sachsen-Altenburg: 1

Mecklenburg-Strelitz: 1

Anhalt-Dessau: 1

Anhalt-Bernburg: 1

Anhalt-Köthen: 1

Schwarzburg-Sondershausen: 1

Schwarzburg-Rudolstadt: 1

Hohenzollern-Hechingen: 1

Lichtenstein: 1

Hohenzollern-Sigmaringen: 1

Waldeck. 1

Reuß ältere Linie: 1

Reuß jüngere Linie: 1

Schaumburg-Lippe: 1

Lippe-Detmold: 1

Hessen-Homburg: 1

Lauenburg: 1

Lübeck: 1

Frankfurt: 1

Bremen: 1

Hamburg: 2 Mitglieder

167 Mitglieder

§ 86 – Die Mitglieder des Staatenhauses werden zur Hälfte durch die Regierung und zur Hälfte durch die Volksvertretung der betreffenden Staaten ernannt.

Wo zwei Kammern bestehen, wird die Hälfte von jeder Kammer gewählt; bei ungleichen Hälften fällt die größere auf das Volkshaus.

§§ 87-90 – wie §§ 89-92 Frankf. RV.

 

ARTIKEL III

 

§ 91 – wie § 93 Frankf. RV.

 

§ 92 – Die Mitglieder des Volkshauses werden auf vier Jahre gewählt. Die Wahl geschieht nach den in dem Reichswahlgesetz enthaltenen Vorschriften.

 

ARTIKEL IV

 

§§ 93-95 – wie §§ 95–97 Frankf. RV.

 

ARTIKEL V

 

§§ 96-98 – wie §§ 98-100 Frankf. RV.

§ 99 – Ein Reichsbeschluß kann nur durch die Uebereinstimmung beider Häuser einerseits, so wie des Reichsvorstandes und Fürsten-Collegiums andererseits, gültig zu Stande kommen. Ein Reichstagsbeschluß, welcher die Zustimmung der Reichs-Regierung nicht erlangt hat, darf in derselben Sitzungsperiode nicht wiederholt werden.

§ 100 – wie § 102 Frankf. RV.

§ 101 – Bei Feststellung des Reichshaushaltes treten folgende Bestimmungen ein:

1.Alle die Finanzen betreffenden Vorlagen der Reichsregierung gelangen zunächst an das Volkshaus und sodann an das Staatenhaus.

2.Wie Frankf. RV. § 103, Ziff. 4) und 5).

3.Die Dauer der Finanzperiode und Budgetbewilligung ist drei Jahre.

4.und 5. Wie Frankf. RV. § 103, Ziff. 4) und 5).

6.Nach erfolgter Prüfung und Bewilligung durch das Volkshaus wird das Budget an das Staatenhaus zur Berathung und Beschlußnahme abgegeben. Wenn dieser Beschluß nicht mit dem des Volkshauses übereinstimmt, so geht das Budget zur ferneren Verhandlung an das Volkshaus zurück. Ein endgültiger.Beschluß kann nur durch die Uebereinstimmung beider Häuser zu Stande kommen.

7.und 8. Wie Frankf. RV. § 103, Ziff. 7 und 8.

 

Artikel VI.

 

§ 102-§ 107 – wie § 104-§ 109 Frankf. RV.

 

ARTIKEL VII

 

§ 108-§ 111 – wie § 110-§ 113 Frankf. RV.

§ 112 – Jedes Haus hat das Recht, seine Mitglieder wegen unwürdigen Verhaltens zu bestrafen und äußersten Falls auszuschließen. Das Nähere bestimmt die Geschäftsordnung jeden Hauses.

Abs. 2. Wie Frankf. RV. § 114, Abs. 2.

§ 113 – wie § 115 Frankf. RV.

§ 114 – Es soll eine allgemeine Geschäftsordnung unter Zustimmung beide Häusern erlassen werden. Die Anwendung dieser Geschäftsordnung im Einzelnen bleibt den Beschlüssen jedes Hauses vorbehalten.

 

ARTIKEL VIII

 

§ 115 – wie § 117 Frankf. RV.

§ 116 – In diesem letzteren Falle ist dem betreffenden Hause von der angeordneten Maßregel sofort Kenntniß zu geben.

§ 117 – Jedes Haus ist befugt, für die Dauer seiner Sitzungsperiode die Aufhebung derjenigen Verhaftungen zu verfügen, welche über ein Mitglied desselbe zur Zeit seiner Wahl verhängt gewesen, oder nach dieser bis zur Eröffnung de Sitzungen verhängt worden ist.

§ 118 – Kein Mitglied des Reichstages darf von Staatswegen zu irgend eine Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufes gethanen Aeußerungen gerichtlich oder disciplinarisch verfolgt oder sonst außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden.

 

ARTIKEL IX

 

§ 119 – Die Reichsminister und die von ihnen bezeichneten Kommissarien haben das Recht, den Verhandlungen beider Häuser des Reichstages beizuwohnen und jederzeit von denselben gehört zu werden.

§ 120-§ 122 – Wie Frankf. RV. § 122-§ 124.

 

ABSCHNITT V

DAS REICHSGERICBT

 

ARTIKEL I

 

§ 123 – wie § 125 Frankf. RV.

§ 124 – Zur Zuständigkeit dea Reichsgerichts gehören:

a) bis i). Wie Frankf. RV. Ziff. a) - i).

k)Strafgerichtsbarkeit über die Anklagen gegen die Minister der Einzelstaaten, insofern sie deren ministerielle Verantwortlichkeit betreffen und die Gerichte der Einzelstaaten dazu nicht kompetent sind. l) Wie Frankf. RV. Ziff. l).

m)Klagen gegen der Reichsfiscus, wo ein gemeinrechtlicher Gerichtsstan nicht begründet sein sollte.

n)Wie Frankf. RV. Ziff. n).

§ 123 – § 127. Wie Frankf. RV. § 127 – § 129.

 

ABSCHNITT VI

DIE GRUNDRECHTE DES DEUTSCHEN VOLKES

 

§ 128 – Dem Deutschen Volke sollen die nachstehenden Grundrechte gewährleistet sein. Sie dienen den Verfassungen der Deutschen Einzelstaaten zur Norm und werden ihre Anwendung auf deren besondere Verhältnisse in den Gesetzgebungen dieser Staaten finden.

 

ARTIKEL I

 

§ 129, § 130. Wie Frankf. RV. § 131, § 132.

§ 131 – Jeder Deutsche hat das Recht, an jedem Orte des Reichsgebiets seinen Aufenthalt und Wohnsitz zu nehmen, Liegenschaften jeder Art zu erwerben und darüber zu verfügen, jeden Nahrungszweig zu betreiben, das Gemeindebürgerrecht zu gewinnen.

Die Bedingungen für den Aufenthalt und die Wohnberechtigung in den Einzelstaaten werden durch ein allgemeines Heimathsgesetz, jene für den Gewerbebetrieb durch eine allgemeine Gewerbeordnung von der Reichsgewalt festgesetzt.

§ 132-§ 134 – Wie Frankf. RV. § 134-§ 136.

 

ARTIKEL II

 

§ 135 – Vor dem Gesetze gilt kein Unterschied der Stände.

Alle Standesvorrechte sind abgeschafft.

Die Deutschen sind vor dem Gesetze gleich.

Die öffentlichen Aemter sind für alle Befähigten gleich zugänglich.

Die Wehrpflicht ist für Alle gleich; Stellvertretung bei derselben findet nicht statt. Das Nähere hierüber wird durch das Wehrgesetz bestimmt.

 

ARTIKEL III

 

§ 136 – wie § 138 Frankf. RV. Im Abs. 3 statt "richterlichen Behörde" ”zuständigen” Behörde.

§ 137 – Die Strafen des Prangers, der Brandmarkung und der körperlichen Züchtigung sind abgeschafft.

§ 138-§ 140. Wie Frankf. RV. § 140-§ 142.

 

ARTIKEL IV

 

§ 141 – Jeder Deutsche hat das Recht, durch Wort, Schrift, Druck und bildliche Darstellung seine Meinung frei zu äußern.

Die Censur darf nicht eingeführt werden.

Ein Preßgesetz zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und der Rechte Dritter wird vom Reiche erlassen werden.

Ueber Preßvergehen, welche von Amts wegen verfolgt werden, wird durch Schwurgerichte geurtheilt.

 

ARTIKEL V

 

§ 142-§ 144. Wie Frankf. RV. § 144-§ 146.

§ 145 – Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbstständig und bleibt im Besitz und Genuß der für ihre Cultus-, Unterrichts- und Wohlthätigkeits-Zwecke bestimmten Anstalten, Stiftungen und Fonds.

Es besteht fernerhin keine Staatskirche.

Abs. 3. Wie Frankf. RV. § 147 Abs. 3.

§ 146 – Niemand soll von Staats wegen zu einer kirchlichen Handlung oder Feierlichkeit gezwungen werden.

§ 147-§ 149 – Wie Frankf. RV. § 149-§ 151.

 

ARTIKEL VI

 

§ 150 – wie § 152 Frankf. RV.

§ 151 – Das Unterrichts- und Erziehungswesen steht unter der Oberaufsicht des Staats; er übt sie durch eigene von ihm ernannte Behörden aus.

§ 152 – § 154. Wie Frankf. RV. § 154 – § 156.

§ 155 – Unbemittelten soll in allen Volksschulen und niederen Gewerbschulen freier Unterricht ertheilt werden.

§ 156 – wie § 158 Frankf. RV.

 

ARTIKEL VII

 

§ 157, § 158 – wie Frankf. RV. § 159, § 160.

 

ARTIKEL VIII

 

§ 159 – wie § 161 Frankf. RV.

§ 160 – Abs. 1. wie § 162 Frankf. RV.

Die Ausübung der in diesem § und im § 159 festgestellten Rechte soll zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit durch das Gesetz geregelt werden.

§ 161 – wie § 163 Frankf. RV.

 

ARTIKEL IX

 

§ 162 – wie § 164 Frankf. RV.

 

§ 163 – Die Bestimmungen über die Veräußerlichkeit und Theilbarkeit des Grundeigenthums, sowohl unter Lebenden als von Todeswegen, bleiben der Gesetzgebung der Einzelstaaten überlassen.

Für die todte Hand sind Beschränkungen des Rechts, Liegenschaften zu erwerben und über sie zu verfügen, im Wege der Gesetzgebung aus Gründen des öffentlichen Wohls zulässig.

§ 164-§ 166 – wie Frankf. RV. § 166-§ 168.

§ 167 – Abs. 1 wie § 169 Abs. 1 Frankf. RV.

Die Jagdgerechtigkeit auf fremdem Grund und Boden, Jagddienste, Jagdfrohnden und andere Leistungen für Jagdzwecke sind aufgehoben. Die Entschädigung bleibt der Landesgesetzgebung überlassen.

Abs. 3-Abs. 5 – wie § 169 Abs. 3-Abs. 5 Frankf. RV.

§ 168-§ 171 – wie Frankf. RV. § 170-§ 173.

 

ARTIKEL X

 

§ 172, § 173 – wie Frankf. RV. § 174, § 175.

§ 174-Abs. 1 – wie § 176 Abs. 1 Frankf. RV.

Der Militair-Gerichtsbarkeit verbleibt jedoch die Aburtheilung der von Militair-Personen verübten Verbrechen und Vergehen, mit Einschluß der Disciplinarfälle.

§ 175, § 176 – wie Frankf. RV. § 177, § 178.

§ 177-Abs. 1 – wie § 179 Abs. 1 Frankf. RV.

Schwurgerichte sollen jedenfalls über schwerere Strafsachen und schwerere politischen Vergehen urtheilen.

§ 178-§ 181 –wie Frankf. RV. § 180-§ 183.

 

ARTIKEL XI

 

§ 182 – Jede Gemeinde hat als Grundrechte ihrer Verfassung:

a)Wie Frankf. RV. § 184 Ziff. a).

b)die selbstständige Verwaltung ihrer Gemeindeangelegenheiten unter gesetzlich geordneter Oberaufsicht des Staates;

c), d) Wie Frankf. RV. § 184 Ziff. c), d).

§ 183 – wie § 185 Frankf. RV.

 

ARTIKEL XII

 

§ 184 – wie § 186 Frankf. RV.

§ 185 – Die Volksvertretung hat eine entscheidende Stimme bei der Gesetzgebung, bei der Besteuerung, bei der Ordnung des Staatshaushaltes; auch hat sie das Recht des Gesetzesvorschlags, der Beschwerde, der Adresse, so wie der Anklage der Minister.

Abs. 2 – wie Frankf. RV. § 187 Abs. 2.

 

ARTIKEL  XIII

 

§ 186, § 187 – wie Frankf. RV. § 188, § 189.

 

Abschnitt VII

Die Gewähr der Verfassung

 

ARTIKEL I

 

§ 188 – Der Reichsvorstand leistet auf die Reichsverfassung folgendes eidliches Gelöbniß: ”Ich schwöre, das Reich und die Rechte des Deutschen Volkes zu schirmen, die Reichsverfassung aufrecht zu erhalten und sie gewissenhaft zu vollziehen. So wahr mir Gott helfe”. Der Eid der Bevollmächtigten zum Fürsten-Kollegium lautet wie folgt: ”Ich schwöre, das Reich und die Rechte des Deutschen Volkes zu schirmen und die Reichsverfassung aufrecht zu halten. So wahr mir Gott helfe!”

Diese Eidesleistungen geschehen bei Einführung gegenwärtiger Verfassung vor den zu einer Sitzung vereinigten beiden Häusern des Reichstages. Bei späterem Wechsel wird der Eid im versammelten Fürsten-Kollegium abgelegt, und die darüber aufgenommene Urkunde dem nächsten Reichstage übergeben.

§ 189-§ 191 – wie Frankf. RV. § 191 – § 193.

 

ARTIKEL II

 

§ 192, § 193 – wie Frankf. RV. § 194, § 195.

 

ARTIKEL III

 

§ 194 – Abänderungen in der Reichsverfassung können nur durch einen Beschluß beider Häuser und mit Zustimmung sowohl des Reichsvorstandes als des Fürsten-Kollegiums erfolgen.

Abs. 2 – wie Frankf. RV. § 196 Abs. 2.

 

ARTIKEL IV

 

§ 195 – Im Falle des Krieges oder Aufruhrs können die Bestimmungen der Grundrechte über den Gerichtsstand, die Presse, Verhaftung, Haussuchung und Versammlungsrecht von der Reichsregierung oder der Regierung eines Einzelstaates für einzelne Bezirke zeitweise außer Kraft gesetzt werden; jedoch nur unter folgenden Bedingungen:

1.die Verfügung muß in jedem einzelnen Falle von dem Gesammtministerium des Reiches oder Einzelstaates ausgehen;

2.das Ministerium des Reiches hat die Zustimmung des Reichstages, das Ministerium des Einzelstaates die des Landtages, wenn dieselben zur Zeit versammelt sind, sofort einzuholen. Wenn dieselben nicht versammelt sind, so müssen bei ihrem Zusammentreten die getroffenen Maßregeln ihnen sofort zur Genehmigung vorgelegt werden.

Weitere Bestimmungen bleiben einem Reichsgesetze vorbehalten.

Für die Verkündigung des Belagerungszustandes bleiben bis dahin die bestehenden gesetzlichen Vorschriften in Kraft.

 

 

 

 

 

FONTE:

Quellen zum Staatsrecht der Neuzeit, Vol. I, Matthysen, Tübingen 1949.



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