VERFASSUNG DES LANDES SACHSEN

vom 26. Februar 1947

(Verordnungsblatt S. 103 ff.)

 

 

Abschnitt A

Demokratischer Aufbau des Landes

 

Art. 1 – Das Land Sachsen ist ein Glied der Deutschen Demokratischen Republik.

Alle öffentlichen Angelegenheiten des Landes werden im Rahmen der Verfassung und der Gesetze der Deutschen Demokratischen Republik geregelt.

Art. 2 – Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus, wird durch das Volk ausgeübt und hat dem Wohle des Volkes zu dienen.

Das Volk verwirklicht seinen Willen durch die Volksvertretungen, durch Volksbegehren und Volksentscheid, durch die Mitwirkung an Verwaltung und Rechtsprechung und durch die umfassende Kontrolle der öffentlichen Verwaltungsorgane.

Art. 3 – Die Volksvertretungen sind: der Landtag, der Kreistag im Landkreis, die Stadtverordnetenversammlung im Stadtkreis, die Stadtverordnetenversammlung oder die Gemeindevertretung in der kreiszugehörigen Stadt oder Gemeinde.

Art. 4 – Bürger sind alle Einwohner des Landes, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.

Art. 5 – Alle Bürger ohne Unterschied werden entsprechend ihrer Befähigung zum öffentlichen Dienst zugelassen.

Ein Arbeitsverhältnis darf die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Rechte oder öffentlicher Obliegenheiten nicht hindern.

Art. 6 – Die im öffentlichen Dienst angestellten Bürger sind Diener des Volkes. Sie müssen sich des Vertrauens des Volkes jederzeit würdig erweisen.

 

Abschnitt B

Grundrechte und Grundpflichten

 

Art. 7 – Bei der Ausübung der Staatsgewalt, die dem Wohle des Volkes zu dienen hat, sind die Gesetze der Menschlichkeit zu achten und die nachfolgenden Menschen- und Grundrechte zu wahren.

Art. 8 – Vor dem Gesetz sind alle gleich.

Alle Bürger haben die gleichen staatsbürgerlichen Pflichten und Rechte, es sei denn, daß die staatsbürgerlichen Rechte ihnen durch Entscheid auf Grund rechtsgültiger Bestimmungen wegen eines Verbrechens oder wegen nazistischer, faschistischer oder militaristischer Betätigung aberkannt worden sind.

Personen, die derartige Auffassungen verbreiten oder unterstützen, sind aus den öffentlichen Diensten sowie aus allen leitenden Stellungen zu entfernen und vom Wahlrecht auszuschließen. Volksvertretern wird in solchen Fällen durch Beschluß der Volksvertretung mit Zweidrittelmehrheit das Mandat aberkannt.

Jede Bekundung nationalen, religiösen oder Rassenhasses wird bestraft.

Art. 9 – Die Freiheit der Person ist unverletzlich. Eine Beeinträchtigung oder Entziehung der persönlichen Freiheit ist nur auf Grund von Gesetzen zulässig.

Personen, denen die Freiheit entzogen wird, sind spätestens innerhalb 24 Stunden in Kenntnis zu setzen, von welcher Stelle und aus welchem Grunde die Entziehung der Freiheit angeordnet worden ist. Unverzüglich ist ihnen Gelegenheit zu geben, Einwendungen gegen die Freiheitsentziehung vorzubringen. Binnen 48 Stunden sind sie dem zuständigen Richter zur Entscheidung über die Haft vorzuführen. Binnen gleicher Frist sind auf ihren Wunsch die nächsten Angehörigen von der Verhaftung zu benachrichtigen.

Art. 10 – Jeder Bürger hat das Recht, sich in jeder beliebigen Gemeinde niederzulassen.

Art. 11 – Jeder Bürger hat im Rahmen der allgemeinen demokratischen Gesetze das Recht, seine Meinung durch Wort, Schrift, Druck, Bild oder in sonstiger Weise frei zu äußern und sich an Versammlungen und Demonstrationen der demokratischen Organisationen zu beteiligen. In der Ausübung dieses Rechtes darf er nicht behindert und deshalb in seinem Arbeitsverhältnis nicht benachteiligt werden.

Jeder Bürger hat das Recht, Eingaben an die Volksvertretungen und an die Regierung zu richten.

Art. 12 – Jeder Bürger genießt volle Glaubens- und Gewissensfreiheit.

Die Kunst und die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei.

Art. 13 – Die Wohnung jedes Bürgers ist für ihn eine Freistätte und unverletzlich.

Art. 14 – Das Briefgeheimnis, das Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis sind unverletzlich.

Art. 15 – Alle Bürger haben das Recht, zu Zwecken, die den Strafgesetzen nicht zuwiderlaufen und die nicht der Verbreitung faschistischer, nazistischer oder militaristischer Auffassungen dienen, Vereine oder Gesellschaften zu bilden.

Das Recht der Arbeiter und Angestellten, Vereinigungen zur Förderung der Lohn- und Arbeitsbedingungen zu bilden, und das allgemeine Streikrecht sind gewährleistet. Maßnahmen, die geeignet sind, diese demokratischen gewerkschaftlichen Rechte zu beeinträchtigen, sind unzulässig.

Art. 16 – Jeder Bürger hat das Recht auf Arbeit. Durch Wirtschaftslenkung ist jedem Bürger Arbeit und Lebensunterhalt zu sichern. Soweit ihm angemessene Arbeitsgelegenheit nicht nachgewiesen werden kann, wird für seinen notwendigen Unterhalt gesorgt.

Art. 17 – Jeder Arbeitende hat ein Recht auf Urlaub und Erholung, auf Versorgung bei Krankheit und im Alter.

Der Erhaltung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit der arbeitenden Bevölkerung, dem Schutze der Mutterschaft und der Vorsorge gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Invalidität, Arbeitslosigkeit und sonstigen Wechselfällen des Lebens hat ein einheitliches umfassendes Versicherungswesen auf der Grundlage der Selbstverwaltung der Versicherten zu dienen.

Der Sonntag, die gesetzlichen Feiertage und der 1. Mai sind Tage der Arbeitsruhe.

Art. 18 – Die Arbeiter und Angestellten sind an der Regelung der Lohn- und Arbeitsbedingungen und an der Entwicklung der produktiven wirtschaftlichen Kräfte gleichberechtigt mit den Unternehmern beteiligt.

Die Arbeiter und Angestellten nehmen diese Rechte durch Gewerkschaften und Betriebsräte wahr.

Art. 19 – Das Eigentum wird gewährleistet. Sein Inhalt und seine Schranken ergeben sich aus den Gesetzen.

Ein angemessenes Erbrecht nach den Grundsätzen der sozialen Gerechtigkeit wird gewährleistet.

Art. 20 – Alle Bürger haben gleiches Recht auf Bildung. Es wird durch öffentliche Einrichtungen gewährleistet.

Art. 21 – Die Ehe beruht auf der Gleichberechtigung beider Geschlechter. Sie bildet die Grundlage des Volkslebens.

Die Familie steht unter dem besonderen Schutze der Verfassung.

Die Erziehung der Kinder im Geiste der Demokratie und zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit ist ein natürliches Recht der Eltern und die oberste Pflicht der Eltern und der Gemeinschaft.

Art. 22 – Die Frau ist auf allen Gebieten des staatlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens dem Manne gleichgestellt. Gesetzliche Bestimmungen, die der Gleichberechtigung der Frau entgegenstehen, sind aufzuheben.

Für gleiche Arbeit hat die Frau das Recht auf gleiche Entlohnung wie der Mann. Die Frau genießt besonderen Schutz im Arbeitsverhältnis.

Die Mutterschaft hat Anspruch auf Schutz und Fürsorge. Die außereheliche Mutter steht der ehelichen gleich.

Außereheliche Geburt darf dem Kinde nicht zum Nachteil gereichen. Ihm sind die gleichen Bedingungen für die leibliche, geistige und gesellschaftliche Entwicklung zu schaffen wie dem ehelichen Kinde.

Art. 23 – Der Jugend wird das Recht auf Arbeit und Erholung gesichert.

Ihr werden die Kulturstätten und Kulturgüter erschlossen.

Die Jugend wird gegen Ausbeutung sowie gegen sittliche, geistige und körperliche Verwahrlosung geschützt.

Kinderarbeit und Nachtarbeit für Jugendliche bis zu 16 Jahren sind unzulässig.

Für gleiche Arbeit hat der jugendliche das Recht auf gleiche Entlohnung wie der Erwachsene.

Die Jugend hat das Recht auf eigene Berufswahl im Rahmen der Berufsberatung und Wirtschaftsplanung. Zwangsmaßnahmen zur Eingliederung in einen bestimmten Beruf sind unzulässig.

Zwangserziehung darf nur nach Maßgabe der Gesetze angeordnet werden.

Art. 24 – Die Grundrechte und Grundpflichten der Artikel 9 bis 23 können nur mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der gesetzlichen Zahl der Abgeordneten geändert werden. Einschränkungen dieser Rechte, soweit sie die Verfassung zuläßt, bedürfen der gleichen Zweidrittelmehrheit.

Art. 25 – Gesetzliche Bestimmungen, die infolge der aus der nazistischen Kata­strophenpolitik entstandenen Notlage seit dem 8. Mai 1945 ergangen sind oder noch ergehen werden, können unerläßliche Eingriffe vornehmen in die Grundrechte:

– der Freizügigkeit nach Artikel 10;

– der Unverletzlichkeit der Wohnung nach Artikel 13;

– der eigenen Verfügung über die Arbeitskraft nach Artikel 16;

– des gewährleisteten Eigentums nach Artikel 19.

Die Bestimmungen dieses Artikels 25 dürfen nach dem 31. Dezember 1950 nicht mehr angewendet werden.

Der Landtag kann diese Frist durch Beschluß mit einfacher Mehrheit seiner Mitgliederzahl jeweils um ein Jahr verlängern.

 

Abschnitt C

Der Landtag

 

Art. 26 – Der Landtag ist das höchste demokratische Organ des Landes. Ihm ob­liegt die Gesetzgebung. Er übt die oberste Kontrolle über alle Regierungsmaßnahmen und über die gesamte Verwaltung und Rechtsprechung aus.

Der Landtag wählt den Ministerpräsidenten und bestätigt die von ihm vorgeschlagenen Minister. Die Regierung in ihrer Gesamtheit und jeder Minister bedürfen zur Führung ihrer Geschäfte des Vertrauens des Landtages.

Art. 27 – Der Landtag besteht aus 120 vom Volke gewählten Abgeordneten.

Die Abgeordneten werden in allgemeiner, gleicher und geheimer und unmittelbarer Wahl nach den Grundsätzen der Verhältniswahl auf die Dauer von drei Jahren gewählt.

Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes. Sie sind nur ihrem Gewissen unterworfen und an Aufträge nicht gebunden.

Art. 28 – Wahlberechtigt sind alle Bürger, die am Wahltage das 18. Lebensjahr vollendet und im Lande ihren Wohnsitz haben.

Wählbar sind alle Wahlberechtigten, die am Wahltage das 21. Lebensjahr vollendet haben.

Art. 29 – Wahlfreiheit und Wahlgeheimnis sind gewährleistet.

Wahlvorschläge können nur von den im Wahlgesetz zugelassenen demokratischen Parteien und Organisationen eingereicht werden.

Die Wahl findet an einem Sonntag oder an einem gesetzlichen Feiertag statt.

Das Nähere bestimmt das Landeswahlgesetz.

Art. 30 – Nach jeder Neuwahl tritt der Landtag spätestens am 30. Tage nach dem Wahltage mittags 12 Uhr zusammen, falls er nicht vom Präsidium des vorherigen Landtages früher einberufen worden ist.

Der Landtag versammelt sich am Sitze der Regierung.

Das Landtagspräsidium kann den Landtag jederzeit einberufen. Er muß einberufen werden, wenn die Regierung oder mindestens ein Fünftel der Mitglieder des Landtages dies verlangt.

Art. 31 – Der Landtag entscheidet über die Gültigkeit der Wahl und prüft das Recht der Mitgliedschaft.

Art. 32 – Die Verhandlungen des Landtages sind öffentlich.

Ein Ausschluß der Öffentlichkeit findet im Landtag auf Beschluß von zwei Dritteln der anwesenden Abgeordneten statt.

Die vom Landtag zu bildenden Ausschüsse können die Presse zulassen, die Öffentlichkeit einer Sitzung beschließen und zu ihren Beratungen Fachleute als Sachverständige zuziehen.

Art. 33 – Der Landtag wählt bei seinem Zusammentritt das Präsidium. Es besteht aus dem Präsidenten, seinen Stellvertretern und den Schriftführern. Jede Partei hat Anspruch darauf, im Präsidium entsprechend der Zahl ihrer Abgeordneten vertreten zu sein.

Das Präsidium ist beschlußfähig, wenn mindestens die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist. Beschlüsse werden mit Stimmenmehrheit gefaßt. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Präsidenten.

Der Präsident führt die Geschäfte des Präsidiums.

Art. 34 – Der Präsident des Landtages leitet die Verhandlungen nach Maßgabe der vom Landtag beschlossenen Geschäftsordnung. Er verpflichtet den Ministerpräsidenten und die Minister auf die Verfassung.

Art. 35 – Der Landtag faßt seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit, soweit nicht in dieser Verfassung etwas anderes bestimmt ist. Der Landtag ist beschlußfähig, wenn mindestens die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist.

Art. 36 – Der Landtag kann zu seiner Entlastung den Ausschüssen die Beschlußfassung über einzelne Aufgaben oder Aufgabengebiete übertragen. Auf Antrag eines Viertels der Mitglieder der Ausschüsse ist über den Beratungsgegenstand eine Entscheidung des Landtages herbeizuführen. Die Beschlüsse sind dem Landtag zur Kenntnis zu bringen.

Der Landtag und seine Ausschüsse können die Anwesenheit jedes Ministers zum Zwecke der Erteilung von Auskünften verlangen.

Der Minister und die von ihnen bestellten Beauftragten haben zu den Sitzungen des Landtages und seiner Ausschüsse jederzeit Zutritt.

Art. 37 – Zur Wahrnehmung der Rechte des Landtages für die Zeit einer längeren Vertagung und nach Beendigung einer Wahlperiode oder nach seiner Auflösung bestellt der Landtag einen Ständigen Ausschuß, dem der Präsident vorsteht.

Das Präsidium, das bis zur Neuwahl weiterbesteht, und die Mitglieder des Ständigen Ausschusses genießen bis zum Zusammentritt des neuen Landtages weiterhin die Rechte als Abgeordnete.

Art. 38 – Der Landtag hat das Recht und auf Antrag von einem Fünftel seiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Diese Ausschüsse erheben in öffentlicher Verhandlung die Beweise, die sie oder die Antragsteller für erforderlich halten. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden.

Die Gerichte und Verwaltungen sind verpflichtet, dem Ersuchen dieser Ausschüsse um Beweiserhebung nachzukommen und ihre Akten auf Verlangen vorzulegen.

Für die Beweiserhebung der Ausschüsse gelten die Vorschriften der Strafprozeßordnung sinngemäß.

Art. 39 – Wahrheitsgetreue Berichte über öffentliche Sitzungen des Landtages oder seiner Ausschüsse bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei.

Art. 40 – Die Mitglieder des Landtages bedürfen zur Ausübung ihrer Tätigkeit keines Urlaubes. Gehalt oder Lohn sind weiterzuzahlen.

Die Mitglieder des Landtages erhalten eine abgabefreie Aufwandsentschädigung. Ein Verzicht auf die Aufwandsentschädigung ist unzulässig (1); der Anspruch ist nicht übertragbar und nicht pfändbar.

Die Mitglieder des Landtags haben freie Fahrt auf sämtlichen öffentlichen Verkehrsmitteln im Lande Sachsen.

Art. 41 – Kein Mitglied des Landtages darf zu irgendeiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seiner Tätigkeit als Abgeordneter getanen Äußerungen gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst außerhalb des Landtages zur Verantwortung gezogen werden.

Kein Mitglied des Landtages darf wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung in Untersuchung gezogen, verhaftet oder anderweitig in seiner persönlichen Freiheit beeinträchtigt werden, es sei denn, daß es bei der Ausübung der Tat festgenommen wird oder daß der Landtag mit Zweidrittelmehrheit seine Zustimmung erteilt hat.

Jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied des Landtages, jede Haft oder sonstige Beschränkung seiner persönlichen Freiheit wird auf Verlangen des Landtages aufgehoben.

Art. 42 – Die Mitglieder des Landtages sind berechtigt, über Personen, die ihnen oder denen sie in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete Tatsachen anvertraut haben, oder über diese Tatsachen selbst das Zeugnis zu verweigern. Auch bei Beschlagnahme von Schriftstücken stehen sie den Personen gleich, die ein gesetzliches Recht der Zeugnisverweigerung haben.

Eine Untersuchung oder Beschlagnahme in den Räumen des Landtages darf nur mit Zustimmung des Präsidiums vorgenommen werden.

Art. 43 – Der Ausschluß eines Abgeordneten von einer oder mehreren Sitzungen des Landtages darf nicht ohne die Zustimmung des Landtagspräsidiums erfolgen und ist auf Verlangen des Landtages sofort aufzuheben.

Art. 44 – Der Landtag kann vor Ablauf der Wahlperiode durch eigenen Beschluß oder durch Volksentscheid aufgelöst werden.

Die Auflösung des Landtages durch eigenen Beschluß bedarf der Zustimmung von mehr als der Hälfte seiner Mitglieder.

Art. 45 – Spätestens am 60. Tage nach dem Ablauf der Wahlperiode oder am 45. Tage nach der Auflösung des Landtages haben Neuwahlen stattzufinden.

Das Landtagspräsidium bestimmt den Tag der Neuwahlen.

 

Abschnitt D

Die Regierung des Landes

 

Art. 46 – Die Regierung besteht aus dem Ministerpräsidenten und den Ministern.

Art. 47 – Die Mitglieder der Regierung leisten vor dem Landtag den Eid, daß sie ihre Tätigkeit unparteilich zum Wohle des Volkes getreu der Verfassung und den Gesetzen ausüben werden.

Art. 48 – Der Ministerpräsident bestimmt die Richtlinien der Regierungspolitik nach den vom Landtage aufgestellten Grundsätzen. Er ist dafür dem Landtage verantwortlich.

Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Minister den ihm anvertrauten Geschäftsbereich selbständig und unter eigener Verantwortung gegenüber dem Landtag.

Art. 49 – Der Ministerpräsident führt den Vorsitz in der Regierung und leitet ihre Geschäfte. Er ernennt die der Regierung unterstellten Angestellten des öffentlichen Dienstes.

Art. 50 – Die Minister haben der Regierung Gesetzentwürfe sowie die Angelegenheiten, für welche die Verfassung oder die Gesetze es vorschreiben, und die Meinungsverschiedenheiten über Fragen, die den Geschäftsbereich mehrerer Minister berühren, zur Beratung und Beschlußfassung zu unterbreiten.

Die Regierung faßt ihre Beschlüsse mit Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme des Ministerpräsidenten.

Art. 51 – Jeder Minister hat das Recht, seinen Rücktritt zu erklären.

Ein Minister, dem der Landtag das Vertrauen entzogen hat, muß zurücktreten. Wird dem Ministerpräsidenten das Vertrauen entzogen, so muß die Regierung zurücktreten.

Der Beschluß auf Entziehung des Vertrauens ist wirksam, wenn mindestens die Hälfte der Mitglieder des Landtages zustimmt.

Der Antrag auf Entziehung des Vertrauens muß von mindestens einem Fünftel der Mitglieder des Landtages unterzeichnet sein. Über den Antrag darf frühestens am zweiten Tage nach seiner Beratung abgestimmt werden. Er muß binnen einer Woche nach seiner Einbringung zur Erledigung kommen.

Art. 52 – Bis zur Neubildung einer Regierung führt die zurückgetretene Regierung die Geschäfte weiter.

Art. 53 – Die Minister haben Anspruch auf Besoldung nach Maßgabe eines besonderen Gesetzes.

Die Mitglieder des Ministeriums dürfen ohne Zustimmung des Landtages keine andere mit Entgelt verbundene Tätigkeit oder ein Gewerbe ausüben, insbesondere nicht Mitglied des Vorstandes, des Verwaltungs- oder Aufsichtsrates einer auf Erwerb gerichteten Gesellschaft sein, sofern damit der Bezug einer Vergütung verbunden ist. Ausgenommen sind Ehrenämter, auch wenn für sie eine Aufwandsentschädigung gewährt wird.

Art. 54 – Das Gnadenrecht des Landtages kann auf die Regierung übertragen werden.

Amnestien bedürfen eines Gesetzes.

 

Abschnitt E

Landesgesetzgebung

 

Art. 55 – Gesetze werden vom Landtage oder unmittelbar vom Volke durch Volksentscheid beschlossen.

Art. 56 – Gesetzesvorlagen werden von der Regierung oder aus der Mitte des Landtages eingebracht.

Über Gesetzentwürfe finden mindestens zwei Lesungen statt.

Art. 57 – Der Präsident des Landtages hat die beschlossenen Gesetze auszufertigen und unverzüglich, spätestens binnen zwei Wochen, im Verordnungsblatt des Landes zu verkünden.

Die Gesetze treten, soweit sie nichts anderes bestimmen, mit dem 14. Tage nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem das Verordnungsblatt in der Landeshauptstadt ausgegeben worden ist.

Art. 58 – Die Verkündung eines Gesetzes ist um einen Monat auszusetzen, wenn ein Drittel der Mitglieder des Landtages es verlangt. Nach Ablauf dieser Frist ist das Gesetz zu verkünden, falls darüber nicht ein Volksbegehren auf Volksentscheid eingeleitet ist.

Art. 59 – Ein Volksentscheid ist herbeizuführen, wenn ein Zehntel der Stimmberechtigten oder wenn Parteien und Organisationen, die glaubhaft machen, daß sie wenigstens ein Fünftel aller Stimmberechtigten vertreten, es beantragen (Volksbegehren).

Ist das Volksbegehren auf Erlaß eines Gesetzes gerichtet, so ist ihm ein ausgearbeiteter Gesetzentwurf zugrunde zu legen. Er ist von der Regierung unter Darlegung ihrer Stellungnahme binnen zwei Wochen dem Landtag zu unterbreiten.

Der Volksentscheid findet nicht statt, wenn das begehrte Gesetz im Landtag in einer Fassung angenommen wird, mit der die Antragsteller oder ihre Vertretungen einverstanden sind.

Das dem Volksentscheid unterbreitete Gesetz ist angenommen, wenn die Mehrheit der Abstimmenden zugestimmt hat. Soll durch Volksentscheid eine Verfassungsänderung beschlossen werden, so ist die Zustimmung der Mehrheit der Stimmberechtigten erforderlich.

Über den Haushaltplan, über Abgabengesetze und über Besoldungsangelegenheiten findet ein Volksentscheid nicht statt.

Das Verfahren beim Volksbegehren und beim Volksentscheid regelt ein besonderes Gesetz.

Art. 60 – Ordnungsgemäß verkündete Gesetze sind für die gesamte Rechtspflege und Verwaltung bindend. Der Richter hat die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze nicht zu prüfen. Sofern Zweifel über die Verfassungsmäßigkeit ordnungsgemäß verkündeter Gesetze erhoben werden, entscheidet darüber der Landtag, dem der Verfassungsausschuß einen Vorschlag zu unterbreiten hat.

 

Abschnitt F

Rechtspflege

 

Art. 61 – Die Rechtsprechung wird nach Maßgabe der Gesetze durch Berufs- und Laienrichter im Sinne sozialer Gerechtigkeit ausgeübt.

Art. 62 – Die Richter sind in ihrer Rechtsprechung unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Die Staatsanwälte sind an Weisungen ihrer vorgesetzten Stellen gebunden.

Die Präsidenten der obersten Gerichte des Landes und der Generalstaatsanwalt werden vom Landtag gewählt. Sie müssen die Befähigung zum Richter haben.

Art. 63 – Auf allen Gebieten der Rechtspflege und der Rechtsprechung sollen Männer und Frauen aus dem Volke als Laienrichter mitwirken.

Die Laienrichter werden von den demokratischen Parteien und Organisationen vorgeschlagen und von den zuständigen Volksvertretungen gewählt. Das weitere bestimmt das Gesetz.

Art. 64 – Das Land sorgt durch juristische Bildungsstätten dafür, daß Angehörigen aller Schichten des Volkes die Möglichkeit gegeben wird, die Befähigung als Richter zu erlangen.

Art. 65 – Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Ausnahmegerichte sind unstatthaft.

Besondere Gerichte für bestimmte Sachgebiete sind nur kraft gesetzlicher Bestimmung zulässig.

Art. 66 – Kein Strafgesetz hat rückwirkende Kraft. Das soll jedoch nicht Maßnahmen und die Anwendung von Bestimmungen hindern, die zur Überwindung des Nazismus, des Faschismus und des Militarismus getroffen werden oder die zur Ahndung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit notwendig sind.

Art. 67 – Dem Schutze der Einwohner gegen widerrechtliche Anordnungen und Verfügungen der Verwaltung dient die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Art. 68 – Die anerkannten Regeln des Völkerrechtes gelten als bindende Bestandteile des Rechtes des Landes.

Fremde genießen den Schutz vor Auslieferung und Ausweisung, wenn sie unter Verletzung der in dieser Verfassung niedergelegten Grundrechte im Ausland verfolgt werden und nach Sachsen geflohen sind.

 

Abschnitt G

Selbstverwaltung

 

Art. 69 – Das Land gliedert sich in Stadt- und Landkreise. Zu den Landkreisen gehören alle Gemeinden, soweit sie nicht kraft Gesetz selbständige Stadtkreise sind.

Die Kreise und die Gemeinden sind Selbstverwaltungskörper. Sie haben die weitesten Kreise der Bevölkerung an den öffentlichen Angelegenheiten zu beteiligen. Besondere Aufgabe der Kreise und der Gemeinden ist es, gesellschaftliche Einrichtungen zur Sicherung und zur Hebung der Lebenshaltung, insbesondere der Werktätigen, zu unterhalten.

Die Kreise und die Gemeinden sind außerdem verpflichtet, die ihnen von den übergeordneten Organen übertragenen Angelegenheiten auszuführen.

Art. 70 – Die laufenden Verwaltungsgeschäfte der Kreise und der Gemeinden führen unter Beachtung der Verfassung und Befolgung der Gesetze: im Landkreis der Kreisrat, dem der Landrat vorsteht; im Stadtkreis der Stadtrat, dem der Oberbürgermeister vorsteht; in der Stadt- oder Landgemeinde der Stadt- oder Gemeinderat, dem der Bürgermeister vorsteht.

Die Vorsitzenden und die übrigen Mitglieder des Kreisrates, des Stadtrates und des Gemeinderates bedürfen des Vertrauens der Körperschaft, von der sie gewählt worden sind. Wird ihnen von der Mehrheit der Mitglieder dieser Körperschaft das Vertrauen entzogen, so sind sie verpflichtet, zurückzutreten.

Näheres bestimmen die Kreisordnung und die Gemeindeordnung.

 

Abschnitt H

Wirtschaft

 

Art. 71 – Die Ordnung des Wirtschaftslebens muß den Grundsätzen der sozialen Gerechtigkeit mit dem Ziele der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle entsprechen.

In diesen Grenzen ist die wirtschaftliche Freiheit des einzelnen gewährleistet.

Die Bauern, die Handwerker und die sonstigen selbständigen Gewerbetreibenden sind in der Entfaltung ihrer privaten Initiative besonders zu unterstützen. Die Freiheit des Handels und Gewerbes ist nach Maßgabe der Gesetze gewährleistet.

Die geistige Arbeit, das Recht der Urheber, der Erfinder und der Künstler genießen den Schutz und die Fürsorge des Landes.

Art. 72 – Es ist Aufgabe der Landesregierung, durch Planung die Wirtschaft sinnvoll zu lenken, um sie durch Steigerung ihrer Leistungsfähigkeit und Ausnutzung aller wirtschaftlichen Möglichkeiten den Bedürfnissen des Volkes anzupassen.

Der Wirtschaftsplan ist für alle an seiner Durchführung Beteiligten bindend. Das Nähere bestimmt ein Gesetz.

Der Landtag kann den von der Regierung festgestellten Wirtschaftsplan zum Gesetz erheben. Änderungen an dem zum Gesetz erhobenen Wirtschaftsplan können, falls es sich nicht um eine Regierungsvorlage handelt, vom Landtage nur mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden.

Art. 73 – Alle privaten Monopolorganisationen, wie Kartelle, Syndikate, Konzerne, Truste und ähnliche auf Preis- oder Gewinnsteigerung durch Produktions-, Preis- und Absatzregelung oder auf Marktbeherrschung gerichteten privaten Zusammenschlüsse sind verboten. Alle Bestrebungen dieser Art sind zu bekämpfen.

Art. 74 – Durch Gesetz können Körperschaften und Unternehmungen zu wirtschaftlichen Verbänden auf der Grundlage der Selbstverwaltung zusammengeschlossen werden, um die Mitwirkung aller schaffenden Volksteile an der Erfüllung volkswirtschaftlicher Aufgaben zu sichern und Erzeugung, Herstellung, Verteilung, Verwendung, Preisgestaltung sowie Ein- und Ausfuhr der Wirtschaftsgüter nach gemeinwirtschaftlichen Grundsätzen zu regeln.

Art. 75 – Die durch Volksentscheid oder auf Grund anderer gesetzlicher Bestimmungen in das Eigentum des Landes übergegangenen Betriebe sind landeseigene Betriebe der öffentlichen Hand. Die landeseigenen Betriebe und die Beteiligungen des Landes an wirtschaftlichen Unternehmungen unterstehen der Kontrolle der Regierung. Sie können nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten zusammengefaßt werden.

Art. 76 – Veräußerungen von Eigentum des Landes an Grund und Boden oder von landeseigenen Betrieben und Beteiligungen des Landes an wirtschaftlichen Unternehmungen bedürfen der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtages.

Eine Enteignung kann nur zum Wohle der Allgemeinheit und auf gesetzlicher Grundlage vorgenommen werden. Sie erfolgt gegen angemessene Entschädigung, soweit nicht ein Gesetz für den einzelnen Enteignungsfall etwas anderes bestimmt. Wegen der Höhe der Entschädigung ist im Streitfalle der Rechtsweg bei den ordentlichen Gerichten offenzuhalten, soweit Gesetze nichts anderes bestimmen.

Art. 77 – Das Land kann sich zur Förderung der Befriedigung des Güterbedarfs an der Verwaltung wirtschaftlicher Unternehmungen beteiligen oder seinen Einfluß in anderer Weise sichern. Es kann auf gesetzlicher Grundlage Produktionsmittel in das Gemeineigentum des Landes übernehmen, soweit das zur Erreichung dauernder wesentlicher Ertragssteigerung der Wirtschaft oder zur Vermeidung schwerer Mißbräuche notwendig erscheint.

Art. 78 – Den Bauern wird das Eigentum an Grund und Boden und am landwirtschaftlichen Inventar gewährleistet. Das gilt auch für den Boden und das Inventar, die den Bauern auf Grund der Bodenreform zugeteilt worden sind.

Der Besitz an land- und forstwirtschaftlich genutztem Boden wird auf 100 ha begrenzt. Die Nutzung des Bodens und seine Verteilung wird im Interesse einer gesunden Volkswirtschaft überwacht.

Art. 79 – Ziel der Wohnungs- und Siedlungspolitik ist, jeder Familie eine gesunde, ihren Bedürfnissen entsprechende Heimstätte zu sichern.

 

Abschnitt I

Finanzwesen

 

Art. 80 – Alle Einnahmen und Ausgaben des Landes müssen für jedes Rechnungsjahr veranschlagt und in den Haushaltplan eingestellt werden.

Der Haushaltplan wird vor Beginn jedes Rechnungsjahres durch ein Gesetz festgestellt.

Zu Haushaltsüberschreitungen und außerplanmäßigen Ausgaben ist die nachträgliche Genehmigung des Landtages erforderlich, die spätestens im Laufe des nächsten Jahres eingeholt werden muß.

Art. 81 – Ist vor Ablauf des Rechnungsjahres das Gesetz über den neuen Staatshaushalt nicht verabschiedet worden, so ist bis zum Inkrafttreten des Gesetzes das Gesamtministerium ermächtigt, die rechtlich begründeten Verpflichtungen des Landes zu erfüllen, die Verwaltung fortzuführen und zu diesem Zwecke die nötigen Ausgaben zu leisten, die bisherigen Steuern und Abgaben weiter zu erheben und kurzfristige Darlehen aufzunehmen.

Art. 82 – Über die Verwendung aller Einnahmen des Landes legt die Regierung im folgenden Rechnungsjahre zu ihrer Entlastung Rechnung ab. Die Abrechnungen werden vom Landesrechnungshof geprüft, der nur dem Landtage verantwortlich ist. Über die Entlastung der Regierung beschließt der Landtag.

Art. 83 – Abgaben oder Steuern dürfen nur auf Grund von Gesetzen und gesetzlichen Bestimmungen erhoben werden.

Im Wege des Kredites dürfen Geldmittel nur bei außerordentlichem Bedarf und in der Regel nur für Ausgaben zu werbenden Zwecken beschafft werden. Eine solche Beschaffung sowie die Übernahme einer Sicherheitsleistung zu Lasten des Landes dürfen nur durch Gesetz erfolgen.

Art. 84 – Vermögen-, Einkommen- und Verbrauchsteuern sind in einem angemessenen Verhältnis zueinander zu halten und nach sozialen Gesichtspunkten zu staffeln. Hierbei ist die Leistungsfähigkeit einerseits und die Aufrechterhaltung einer mittleren Lebenshaltung anderseits zu berücksichtigen.

Durch eine starke Staffelung der Erbschaftssteuer soll eine volksschädliche Kapitalanhäufung verhindert werden.

 

Abschnitt K

Volksbildung

 

Art. 85 – Für die Schulerziehung und die Bildung der Jugend sorgen öffentliche Lehranstalten. Bei ihrer Einrichtung wirken das Land, die Städte, die Kreise und die Gemeinden zusammen. Die Entwicklung der Pädagogik ist besonders auf kommunaler Grundlage zu fördern.

Die öffentliche Erziehung erfolgt durch eine für Knaben und Mädchen gleiche, organisch gegliederte Einheitsschule mit demokratischem Schulsystem auf der Grundlage der allgemeinen Schulpflicht.

Die Mitwirkung der Eltern bei der Schulerziehung ihrer Kinder, insbesondere durch Elternbeiräte, wird gewährleistet.

Art. 86 – Die allgemeine Schulpflicht wird durch den Besuch der Grundschule erfüllt. Nach Beendigung der Grundschule erfolgt die systematische Weiterbildung in der Berufs- oder Fachschule, in der Oberschule und in andern Bildungseinrichtungen.

Der Besuch der Berufsschule ist mindestens bis zum vollendeten 18. Lebensjahre Pflicht aller jugendlichen, sofern sie keine andere öffentliche Schule besuchen. Die Berufsschule dient der fachlichen Weiterbildung der Schüler. Die Oberschule vermittelt Wissen und entwickelt Fähigkeiten, die den Besuch der Hochschulen ermöglichen.

Den Angehörigen aller Schichten des Volkes ist die Möglichkeit zu geben, auch ohne Unterbrechung der Berufstätigkeit die zum Studium an einer Hochschule erforderlichen Kenntnisse in Abend- und Volkshochschulen zu erwerben.

Art. 87 – Die Schule soll jedem, unabhängig von der sozialen Lage der Eltern und vom Religionsbekenntnis, die seinen Fähigkeiten und Anlagen entsprechende vollwertige Ausbildung geben.

Der Unterricht und die Lernmittel der Grund- und der Berufsschule sind unentgeltlich. Auch die Weiterbildung in der Ober-, der Fach- und der Hochschule ist den Begabten aus allen Schichten des Volkes zu ermöglichen.

Art. 88 – Die Schule soll die Jugendlichen zu selbständig denkenden und verantwortungsbewußt handelnden Menschen erziehen, die fähig und bereit sind, sich in das Leben der Gemeinschaft einzuordnen.

Als Mittlerin der Kultur hat die Schule die Aufgabe, die Jugend im Geiste des friedlichen und freundschaftlichen Zusammenlebens der Völker und echter Demokratie zu wahrer Humanität zu erziehen.

 

Abschnitt L

Religionsgemeinschaften

 

Art. 89 – Die ungestörte Religionsübung wird gewährleistet und steht unter staatlichem Schutz.

Die kirchlichen Einrichtungen und Handlungen dürfen nicht für politische Zwecke mißbraucht werden.

Art. 90 – Die Ausübung privater und staatsbürgerlicher Rechte sowie die Zulassung zu öffentlichen Diensten sind unabhängig von dem Religionsbekenntnis.

Niemand ist verpflichtet, eine religiöse Eidesform zu gebrauchen oder eine religiöse Überzeugung zu offenbaren.

Die Verwaltungsorgane haben nur insoweit das Recht, nach der Zugehörigkeit zu einer Religionsgesellschaft zu fragen, als davon Rechte oder Pflichten abhängig sind oder eine gesetzlich angeordnete statistische Erhebung es erfordert.

Art. 91 – Die Freiheit der Vereinigung zu religiösen Gesellschaften wird gewährleistet.

Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken der für alle geltenden Gesetze. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Landes, der Kreise oder der politischen Gemeinden.

Die Religionsgesellschaften sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, soweit sie es bisher waren. Anderen Religionsgesellschaften sind auf ihren Antrag gleiche Rechte zu gewähren, wenn sie durch ihre Verfassung und die Zahl ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten.

Schließen sich mehrere öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften zu einem Verband zusammen, so ist auch dieser Verband eine öffentlich-rechtliche Körperschaft.

Die öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften sind berechtigt, von ihren Mitgliedern auf Grund der staatlichen Steuerlisten nach Maßgabe der allgemeinen Bestimmungen Steuern zu erheben.

Den Religionsgesellschaften werden Vereinigungen gleichgestellt, die sich die gemeinschaftliche Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen.

Art. 92 – Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden öffentlichen Leistungen an die Religionsgesellschaften werden durch Gesetz abgelöst.

Art. 93 – Die religiöse Unterweisung ist Angelegenheit der Religionsgesellschaften. Diese Unterweisung ist nur von Personen zu erteilen, die dazu bereit sind und die von den Religionsgesellschaften damit beauftragt sind. Die Religionsgesellschaften können dafür Schulräume in Anspruch nehmen, soweit dadurch der Klassenunterricht nicht beeinträchtigt wird.

Art. 94 – Soweit das Verlangen nach Gottesdienst und Seelsorge in Krankenhäusern, Strafanstalten oder anderen öffentlichen Anstalten besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zugelassen.

 

Abschnitt M

Schlußbestimmungen

 

Art. 95 – Die Bestimmungen dieser Verfassung sind unmittelbar geltendes Recht. Das Recht der Deutschen Demokratischen Republik bricht das Recht des Landes.

Art. 96 – Die Verfassung kann im Wege der Gesetzgebung oder durch Volksentscheid geändert werden. Beschlüsse des Landtages auf Änderung der Verfassung bedürfen der Zustimmung von zwei Dritteln der Mitglieder des Landtages.

Art. 97 – Die unantastbaren Grundsätze dieser Verfassung sind die Demokratie und die Humanität.

Art. 98 – Diese Verfassung tritt mit ihrer Verkündung in Kraft.

 

 

 

(1) In der ursprünglichen Veröffentlichung steht «zulässig»; dieser Druckfehler ist berichtigt worden. (VOBl. 1947, S. 139).

 

 

 

 

 

FONTE:

Huber, Ernst Rudolf (a cura di), Quellen zum Staatsrecht der Neuzeit, Band 2, Deutsche Verfassungsdokumente der Gegenwart (1919-1951), Dr. M. Matthiesen & Co. KG., Tübingen 1951.



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