DIE
VERFASSUNG FÜR RHEINLAND-PFALZ vom
18. Mai 1947 (Verordnungsblatt
1947 S. 209 ff.) Vorspruch Im
Bewußtsein der Verantwortung vor Gott, dem Urgrund des Rechts und Schöpfer
aller menschlichen Gemeinschaft, von dem Willen beseelt, die Freiheit und Würde
des Menschen zu sichern, das Gemeinschaftsleben nach dem Grundsatz der sozialen
Gerechtigkeit zu ordnen, den wirtschaftlichen Fortschritt aller zu fördern und
ein neues demokratisches Deutschland als lebendiges Glied der
Völkergemeinschaft zu formen, hat sich das Volk von Rheinland-Pfalz diese
Verfassung gegeben: Erster
Hauptteil Grundrechte
und Grundpflichten I.
Abschnitt: Die Einzelperson 1.
Freiheitsrechte Art. 1 –
Der Mensch ist frei. Er hat ein natürliches Recht auf die Entwicklung
seiner körperlichen und geistigen Anlagen und auf die freie Entfaltung seiner
Persönlichkeit innerhalb der durch das natürliche Sittengesetz gegebenen
Schranken. Der Staat
hat die Aufgabe, die persönliche Freiheit und Selbständigkeit des Menschen zu
schützen sowie das Wohlergehen des Einzelnen und der innerstaatlichen
Gemeinschaften durch die Verwirklichung des Gemeinwohls zu fördern. Die Rechte
und Pflichten der öffentlichen Gewalt werden durch die naturrechtlich
bestimmten Erfordernisse des Gemeinwohls begründet und begrenzt. Die Organe
der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung sind zur Wahrung dieser
Grundsätze verpflichtet. Art. 2 – Niemand kann zu einer Handlung,
Unterlassung oder Duldung gezwungen werden, zu der ihn nicht das Gesetz
verpflichtet. Art. 3 – Das Leben des Menschen ist
unantastbar. Es kann nur auf Grund des Gesetzes als Strafe für schwerste
Verbrechen gegen Leib und Leben durch richterliches Urteil für verwirkt erklärt
werden. Eingriffe in
die körperliche Unversehrtheit sind – unbeschadet der Pflicht zu sofortiger
Hilfeleistung bei drohender Gefahr – nur im Rahmen des Gesetzes und zum Zwecke
der Heilung mit Zustimmung des Betroffenen oder seines gesetzlichen Vertreters
statthaft. Unberührt hiervon bleiben Maßnahmen zur Seuchenbekämpfung. Art. 4 – Die Ehre des Menschen steht unter
dem Schutz des Staates. Beleidigungen, die sich gegen einzelne Personen oder
Gruppen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Rasse, einer religiösen,
weltanschaulichen oder anerkannten politischen Gemeinschaft richten, sind durch
öffentliche Klagen zu verfolgen. Art. 5 – Die Freiheit der Person ist
unverletzlich. Eine Beeinträchtigung oder Entziehung der persönlichen Freiheit
durch die öffentliche Gewalt ist, nur auf Grund von Gesetzen und in den von
diesen vorgeschriebenen Formen zulässig. Jeder
Festgenommene ist binnen 24 Stunden dem Richter vorzuführen. Dieser hat ihn
unverzüglich zu vernehmen, über die Entlassung oder Verhaftung durch begründete
Entscheidung zu befinden und im Falle der Verhaftung jeden Monat zu prüfen, ob
Haftfortdauer gerechtfertigt ist. Jedem Verhafteten ist Gelegenheit zu geben,
Einwendungen gegen die Festnahme zu erheben sowie einen Verteidiger zu
bestellen. Auf seinen
Wunsch hat die festnehmende Behörde seinen Angehörigen die Tatsache seiner
Verhaftung mitzuteilen. Jede
Mißhandlung eines Festgenommenen ist untersagt. Art. 6 – Jedermann hat Anspruch auf seinen
gesetzlichen Richter. Ausnahmegerichte sind unstatthaft. Strafen
können nur verhängt werden auf Grund von Gesetzen, die zur Zeit der Begehung
der Tat in Geltung waren. Niemand darf
zweimal für dieselbe Tat bestraft werden. Als schuldig gilt nur, wer
rechtskräftig für schuldig erklärt ist. Art. 7 – Die Wohnung ist unverletzlich. Durchsuchungen
sind nur in den gesetzlich geregelten Fällen und unter Wahrung der gesetzlich
vorgeschriebenen Formen zulässig. Zur Behebung
öffentlicher Notstände können die Behörden durch Gesetz zu Eingriffen und
Einschränkungen ermächtigt werden. Art. 8 – Die Freiheit des Glaubens, des
Gewissens und der Überzeugung ist gewährleistet. Der Genuß
der bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechte wird durch das religiöse
Bekenntnis weder bedingt noch beschränkt. Die
Teilnahme an Handlungen, Feierlichkeiten oder Übungen von Religions- und
Weltanschauungsgemeinschaften darf weder erzwungen noch verhindert werden. Die
Benutzung einer religiösen Eidesformel steht jedem frei. Art. 9 – Die Kunst, die Wissenschaft und
ihre Lehre sind frei. Jedermann
hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Niemand darf ihn deshalb
benachteiligen. Art. 10 – Jede Zensur ist unstatthaft. Auf das
Recht der freien Meinungsäußerung, der Verbreitung wissenschaftlicher oder
künstlerischer Werke, der Lehrfreiheit und der freien Unterrichtung kann sich
nicht berufen, wer die verfassungsmäßigen Grundlagen des Gemeinschaftslebens
angreift oder Gesetze zum Schutze der Jugend verletzt. Art. 11
– Jedermann hat das Recht, sich mit Eingaben an die Behörden oder an die
Volksvertretung zu wenden. Art. 12 – Alle Staatsbürger haben das Recht,
sich friedlich und unbewaffnet zu versammeln. Versammlungen
unter freiem Himmel können durch Gesetz anmeldepflichtig gemacht und bei
unmittelbarer Gefahr für die öffentliche Sicherheit verboten werden. Art. 13 – Jedermann hat das Recht, zu
Zwecken, die der Verfassung oder den Gesetzen nicht zuwiderlaufen, Vereine oder
Gesellschaften zu bilden. Der Erwerb
der Rechtsfähigkeit darf einem Verein nicht deshalb versagt werden, weil er
einen politischen, religiösen oder weltanschaulichen Zweck verfolgt. Art. 14 – Das Brief-, Post-, Telegraphen-
und Fernsprechgeheimnis ist gewährleistet. Ausnahmen bestimmt das Gesetz. Art. 15 – Alle Deutschen genießen
Freizügigkeit. Sie haben das Recht, sich an jedem Orte aufzuhalten und
niederzulassen, Grundstücke zu erwerben und jeden Erwerbszweig zu betreiben.
Einschränkungen bedürfen des Gesetzes. Nichtdeutsche
genießen bei verbürgter Gegenseitigkeit die gleichen Rechte. Art. 16 – Ein Deutscher darf einer fremden
Macht nur bei verbürgter Gegenseitigkeit ausgeliefert werden. Fremde
genießen den Schutz vor Auslieferung und Ausweisung, wenn sie unter Verletzung
der in dieser Verfassung niedergelegten Grundrechte im Ausland verfolgt werden
und nach Rheinland-Pfalz geflohen sind. 2.
Gleichheitsrechte Art. 17 – Alle sind vor dem Gesetz gleich. Willkürliche
Begünstigung oder Benachteiligung von Einzelpersonen oder Personengruppen sind
den Organen der Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung untersagt. Männer und
Frauen haben die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten. Art. 18 – Alle öffentlich-rechtlichen Vorteile
und Nachteile der Geburt oder des Standes sind aufgehoben. Adelsbezeichnungen
gelten nur als Bestandteil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden. Titel dürfen
nur verlieben werden, wenn sie ein Amt oder einen Beruf bezeichnen. Akademische
Grade fallen nicht unter dieses Verbot. Orden und
Ehrenzeichen dürfen vom Staat nur nach Maßgabe der Gesetze verliehen werden. Art. 19 – Alle Staatsbürger, ohne
Unterschied der Rasse, des Religionsbekenntnisses, der Parteizugehörigkeit oder
des Geschlechtes, sind nach Maßgabe der Gesetze und entsprechend ihrer
Befähigung und ihrer Leistungen zu den öffentlichen Ämtern zugelassen, sofern
sie die Gewähr dafür bieten, ihr Amt nach den Vorschriften und im Geiste der
Verfassung zu führen. 3.
Öffentliche Pflichten Art. 20 – Jeder Staatsbürger hat seine
Treupflicht gegenüber Staat und Verfassung zu erfüllen, die Gesetze zu befolgen
und seine körperlichen und geistigen Kräfte so zu betätigen, wie es dem
Gemeinwohl entspricht. Art. 21 –
Jeder Staatsbürger hat nach Maßgabe der Gesetze die Pflicht zur Übernahme
von Ehrenämtern. Jedermann
ist verpflichtet, nach Maßgabe der Gesetze persönliche Dienste für Staat und
Gemeinde zu leisten. Art. 22 – Jedermann ist bei Unglücksfällen
und besonderen Notständen nach Maßgabe der Gesetze zur Leistung von Nothilfe
verpflichtet. II.
Abschnitt: Ehe und Familie Art. 23 – Ehe und Familie sind die
naturgegebene Grundlage der menschlichen Gesellschaft. Als Gemeinschaften
eigenen natürlichen Rechts stehen sie unter dem besonderen Schutz des Staates. Das Recht
der Kirchen und Religionsgemeinschaften, die religiösen Verpflichtungen
bezüglich der Ehe mit verbindlicher Wirkung für ihre Mitglieder selbständig zu
regeln, bleibt unberührt. Art. 24 – Kinder sind das kostbarste Gut der
Familie und des Volkes. Die Mutter, insbesondere die berufstätige, hat Anspruch
auf den Schutz und die Fürsorge des Staates. Reinheit und Gesundheit der
Familie zu fördern und ihre soziale Sicherheit zu gewährleisten, ist Aufgabe
des Staates und der Gemeinden. Art. 25 – Die Eltern haben das natürliche
Recht und die oberste Pflicht, ihre Kinder zur leiblichen, sittlichen und
gesellschaftlichen Tüchtigkeit zu erziehen. Staat und Gemeinden haben das Recht
und die Pflicht, die Erziehungsarbeit der Eltern zu überwachen und zu
unterstützen. Die Jugend
ist gegen Ausbeutung sowie gegen sittliche, geistige und körperliche
Verwahrlosung durch staatliche und gemeindliche Maßnahmen und Einrichtungen zu
schützen. Uneheliche Kinder haben den gleichen Anspruch auf Förderung wie
eheliche Kinder. Fürsorgemaßnahmen
im Wege des Zwanges können nur auf gesetzlicher Grundlage angeordnet werden,
wenn durch ein Versagen des Erziehungsberechtigten das Wohl des Kindes
gefährdet wird. Art. 26 – In den Angelegenheiten der Pflege
und Förderung der Familie und der Erziehung der Jugend ist die Mitwirkung der
Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und Verbände der freien
Wohlfahrtspflege nach Maßgabe der Gesetze gewährleistet. III.
Abschnitt: Schule, Bildung und Kulturpflege Art. 27 – Das natürliche Recht der Eltern,
über die Erziehung ihrer Kinder zu bestimmen, bildet die Grundlage für die
Gestaltung des Schulwesens. Staat und
Gemeinde haben das Recht und die Pflicht, unter Berücksichtigung des
Elternwillens die öffentlichen Voraussetzungen und Einrichtungen zu schaffen,
die eine geordnete Erziehung der Kinder sichern. Das gesamte
Schulwesen untersteht der Aufsicht des Staates. Die Schulaufsicht wird durch
hauptamtlich tätige fachlich vorgebildete Beamte ausgeübt. Art. 28 – Für die Bildung der Jugend ist
durch öffentliche Schulen zu sorgen. Bei ihrer Einrichtung wirken Staat und
Gemeinden zusammen. Auch die Kirchen und Religionsgemeinschaften werden als
Bildungsträger anerkannt. Art. 29 – Die öffentlichen Volksschulen sind
Bekenntnis- oder christliche Simultanschulen. In
Bekenntnisschulen werden die Schüler von Lehrern gleichen Bekenntnisses
unterrichtet und erzogen, wobei Erziehung und Unterricht von den religiösen und
sittlichen Grundsätzen dieses Bekenntnisses bestimmt werden. In Simultanschulen
erfolgt die Aufnahme der Schüler ohne Rücksicht auf ihr Bekenntnis. Unterricht
und Erziehung sind in den Simultanschulen christlich, aber nicht
bekenntnismäßig gebunden. Die Anstellung der Lehrer erfolgt entsprechend dem
Bekenntnisstand der Schüler. Die Wahl der
Schulart steht den Erziehungsberechtigten frei. Die
Bekenntnis- und Simultanschulen, die vor 1933 bestanden, sind aufrecht zu
erhalten oder wiederherzustellen. Jedoch sind auf Antrag der
Erziehungsberechtigten bestehende Schularten umzuwandeln oder Bekenntnis- und
Simultanschulen neu einzurichten, soweit hierdurch ein geordneter Schulbetrieb,
der auch durch eine einklassige Schule gewährleistet ist, nicht beeinträchtigt
wird. Die einer
Bekenntnisminderheit angehörigen Schüler, für die in der Wohngemeinde eine
eigene Bekenntnisschule nicht besteht, haben Anspruch auf Aufnahme in die
Schule des anderen Bekenntnisses, dabei ist für die religiöse Betreuung und den
lehrplanmäßigen Religionsunterricht dieser Schüler durch Vertreter ihres
Bekenntnisses ausreichend zu sorgen. Art. 30 – Privatschulen als Ersatz für
öffentliche Schulen, einschließlich der Hochschulen, können mit staatlicher
Genehmigung errichtet und betrieben werden. Die Genehmigung ist zu erteilen,
wenn die Privatschulen in ihren Lehrzielen und Einrichtungen sowie in der
wissenschaftlichen Ausbildung ihrer Lehrkräfte nicht hinter den öffentlichen
Schulen zurückstehen und die wirtschaftliche und rechtliche Stellung der
Lehrkräfte genügend gesichert ist. Lehrer an Privatschulen unterliegen auch der
Bestimmung des Artikels 36 Absatz 1. Eine
Sonderung der Schüler nach den Besitzverhältnissen der Eltern ist untersagt. Art. 31
– Jedem jungen Menschen soll zu einer seiner Begabung entsprechenden
Ausbildung verholfen werden. Begabten soll der Besuch von höheren und
Hochschulen, nötigenfalls aus öffentlichen Mitteln, ermöglicht werden. Art. 32 – Beim Aufbau des Schulwesens ist
der Eigenart der männlichen und weiblichen Jugend Rechnung zu tragen. Art. 33 – Die Schule hat die Jugend zur
Gottesfurcht und Nächstenliebe, Achtung und Duldsamkeit, Rechtlichkeit und
Wahrhaftigkeit, zur Liebe zu Volk und Heimat, zu sittlicher Haltung und
beruflicher Tüchtigkeit und in freier, demokratischer Gesinnung im Geiste der
Völkerversöhnung zu erziehen. Art. 34 – Der Religionsunterricht ist
ordentliches Lehrfach an allen Volksschulen, Berufsschulen, mittleren und
höheren Lehranstalten. Er wird erteilt im Auftrag und in Übereinstimmung mit
den Lehren und Satzungen der betreffenden Kirche oder Religionsgemeinschaft. Lehrplan
und Lehrbücher für den Religionsunterricht sind im Einvernehmen mit der
betreffenden Kirche oder Religionsgemeinschaft zu bestimmen. Kein Lehrer kann
gezwungen oder daran gehindert werden, Religionsunterricht zu erteilen. Zur
Erteilung des Religionsunterrichtes bedürfen die Lehrer der Bevollmächtigung
durch die Kirchen oder Religionsgemeinschaften. Die Kirchen und
Religionsgemeinschaften haben das Recht, im Benehmen mit der staatlichen
Aufsichtsbehörde den Religionsunterricht zu beaufsichtigen und Einsicht in
seine Erteilung zu nehmen. Art. 35 – Die Teilnahme am
Religionsunterricht kann durch die Willenserklärung der Eltern oder der
Jugendlichen, sofern sie das 18. Lebensjahr vollendet haben, abgelehnt werden. Für
Jugendliche, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, ist ein Unterricht
über die allgemein anerkannten Grundsätze des natürlichen Sittengesetzes zu
erteilen. Art. 36 – Lehrer kann nur werden, wer die
Gewähr dafür bietet, sein Amt als Volkserzieher im Sinne der Grundsätze der
Verfassung auszuüben. Die
Ausbildung der Lehrer erfolgt in besonderen, nach Bekenntnissen getrennten
Lehrerbildungsanstalten, die vom Geist des betreffenden Bekenntnisses
durchformt sein müssen. Dasselbe gilt von den mit Lehrerbildungsanstalten
verbundenen Internaten. Lehrplan und
Lehrbücher für den Religionsunterricht sind im Einvernehmen mit der
betreffenden Kirche oder Religionsgemeinschaft zu bestimmen. An den
Lehrerbildungsanstalten und Internaten dürfen nur Erzieher und Lehrer wirken,
die sich zu der betreffenden Glaubensgemeinschaft bekennen. Der
Religionsunterricht darf nur von Lehrkräften erteilt werden, die dazu die
Genehmigung von der betreffenden Kirche oder Religionsgemeinschaft erhalten
haben. Art. 37 – Das Volksbildungswesen
einschließlich der Volksbüchereien und Volkshochschulen soll von Staat und
Gemeinden gefördert werden. Die Errichtung privater oder kirchlicher
Volksbildungseinrichtungen ist gestattet. Art. 38 – Bei der Gestaltung des höheren
Schulwesens ist das klassisch-humanistische Bildungsideal neben den anderen
Bildungszielen gleichberechtigt zu berücksichtigen. Art. 39 – Die Hochschulen haben das Recht
der Selbstverwaltung. Die Freiheit von Forschung und Lehre wird ihnen verbürgt.
Die theologischen Fakultäten an den staatlichen Hochschulen bleiben erhalten. Die
Studenten sind berufen, bei der Erledigung ihrer eigenen Angelegenheiten im
Wege der Selbstverwaltung mitzuwirken. Jeder
Student ist verpflichtet, neben seinem Fachstudium allgemeinbildende,
insbesondere staatsbürgerkundliche Vorlesungen zu hören. Das Recht
der Studenten, sich an den Hochschulen im Rahmen der für alle geltenden Gesetze
zu Vereinigungen zusammenzuschließen, wird gewährleistet. Der Zugang
zum Hochschulstudium steht jedermann offen. Werktätigen, die sich durch
Begabung, Fleiß und Leistungen auszeichnen, ist auch ohne Reifezeugnis einer
höheren Lehranstalt durch Einrichtung besonderer Vorbereitungskurse und
Prüfungen die Möglichkeit des Hochschulstudiums zu geben. Jeder Erwachsene hat
das Recht, sich als Gasthörer an den Hochschulen einschreiben zu lassen. Das Nähere
wird durch Gesetz bestimmt. Art. 40 – Das künstlerische und kulturelle
Schaffen ist vom Staate zu fördern. Die Erzeugnisse der geistigen Arbeit, die
Rechte der Urheber, Erfinder und Künstler genießen den Schutz und die Fürsorge
des Staates. Der Staat
nimmt die Denkmäler der Kunst, der Geschichte und der Natur sowie die
Landschaft in seine Obhut und Pflege. Die Teilnahme an den Kulturgütern des
Lebens ist dem gesamten Volke zu ermöglichen. IV.
Abschnitt: Kirchen und Religionsgemeinschaften Art. 41
– Die Kirchen sind anerkannte Einrichtungen für die Wahrung und Festigung
der religiösen und sittlichen Grundlagen des menschlichen Lebens. Die Freiheit,
Religionsgemeinschaften zu bilden, Religionsgemeinschaften zusammenzuschließen
und sich zu öffentlichen gottesdienstlichen Handlungen zu vereinigen, ist
gewährleistet. Die Kirchen
und Religionsgemeinschaften haben das Recht, sich ungehindert zu entfalten. Sie
sind von staatlicher Bevormundung frei und ordnen und verwalten ihre
Angelegenheiten selbständig. Sie verleihen ihre Ämter ohne Mitwirkung des
Staates oder der bürgerlichen Gemeinden. Die Kirchen und
Religionsgemeinschaften genießen in ihrem Verkehr mit den Gläubigen volle
Freiheit. Hirtenbriefe, Ordnungen, Anweisungen, Amtsblätter und sonstige die
geistliche Leitung der Gläubigen betreffende Verfügungen können ungehindert
veröffentlicht und zur Kenntnis der Gläubigen gebracht werden. Die für alle
geltenden verfassungsmäßigen Pflichten bleiben unberührt. Art. 42 – Die Kirchen und
Religionsgemeinschaften haben das Recht, zur Ausbildung ihrer Geistlichen und
Religionsdiener eigene Hochschulen, Seminarien und Konvikte zu errichten und zu
unterhalten. Die Leitung und Verwaltung, der Lehrbetrieb und die
Beaufsichtigung dieser Lehranstalten ist selbständige Angelegenheit der Kirchen
und Religionsgemeinschaften. Art. 43 – Die Kirchen und
Religionsgemeinschaften erwerben die Rechtsfähigkeit nach den Vorschriften des
allgemeinen Rechts. Die Kirchen
und Religionsgemeinschaften sowie ihre Einrichtungen bleiben Körperschaften des
öffentlichen Rechts, soweit sie es bisher waren; anderen
Religionsgemeinschaften sowie künftigen Stiftungen sind auf ihren Antrag die
gleichen Eigenschaften zu verleihen) wenn sie durch ihre Satzungen und die Zahl
ihrer Mitglieder die Gewähr der Dauer bieten. Schließen sich mehrere
öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften zu einem Verband zusammen, so ist
auch dieser Körperschaft des öffentlichen Rechts. Die Kirchen
und Religionsgemeinschaften, die öffentlich-rechtliche Körperschaften sind,
dürfen auf Grund der ordentlichen Steuerlisten Steuern erheben. Gesellschaften,
die sich die Pflege einer Weltanschauung zur Aufgabe machen und deren
Bestrebungen dem Gesetz nicht widersprechen, genießen die gleichen Rechte. Art. 44 – Das Eigentum und andere Rechte der
Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften sowie ihre Einrichtungen
an ihrem für Kultus-, Unterrichts- und Wohltätigkeitszwecke bestimmten Vermögen
werden gewährleistet. Art. 45 – Die auf Gesetz, Vertrag oder
besonderen Rechtstiteln beruhenden bisherigen Leistungen des Staates, der
politischen Gemeinden und Gemeindeverbände an die Kirchen und sonstigen
Religionsgemeinschaften sowie an ihre Anstalten, Stiftungen, Vermögensmassen
und Vereinigungen bleiben aufrechterhalten. Art. 46 – Die von den Kirchen-, Religions-
und Weltanschauungsgemeinschaften oder ihren Organisationen unterhaltenen
sozialen Einrichtungen und Schulen werden als gemeinnützig anerkannt. Art. 47 – Der Sonntag und die staatlich
anerkannten Feiertage sind als Tage der religiösen Erbauung, seelischen
Erhebung und Arbeitsruhe gesetzlich geschützt. Art. 48 – In Krankenhäusern, Strafanstalten
und sonstigen öffentlichen Anstalten und Einrichtungen ist den Kirchen- und
Religionsgemeinschaften Gelegenheit zur Vornahme von Gottesdiensten und
Ausübung der geordneten Seelsorge zu geben. Für die
entsprechenden Voraussetzungen ist Sorge zu tragen. V.
Abschnitt: Selbstverwaltung der Gemeinden und Gemeindeverbände Art. 49 – Die Gemeinden sind in ihrem Gebiet
unter eigener Verantwortung die ausschließlichen Träger der gesamten örtlichen
öffentlichen Verwaltung. Sie können jede öffentliche Aufgabe übernehmen, soweit
sie nicht durch ausdrückliche gesetzliche Vorschrift anderen Stellen im
dringenden öffentlichen Interesse ausschließlich zugewiesen werden. Die
Gemeindeverbände haben im Rahmen ihrer gesetzlichen Zuständigkeit die gleiche
Stellung. Das Recht
der Selbstverwaltung ihrer Angelegenheiten ist den Gemeinden und
Gemeindeverbänden gewährleistet. Die Aufsicht des Staates beschränkt sich
darauf, daß ihre Verwaltung im Einklang mit den Gesetzen geführt wird. Den
Gemeinden und Gemeindeverbänden oder ihren Vorständen können durch Gesetz oder
Verordnung staatliche Aufgaben zur Erfüllung nach Anweisung übertragen werden. Der Staat
hat den Gemeinden und Gemeindeverbänden die zur Durchführung ihrer eigenen und
der übertragenen Aufgaben erforderlichen Mittel im Wege des Lasten- und
Finanzausgleichs zu sichern. Er stellt ihnen für ihre freiwillige öffentliche Tätigkeit
in eigener Verantwortung zu verwaltende Einnahmequellen zur Verfügung. Streitigkeiten
zwischen Gemeinden und ihren Bürgern über ihre wechselseitigen
Rechtsbeziehungen entscheiden die Verwaltungsgerichte. Art. 50 – In allen Gemeinden und Gemeindeverbänden
sind von den Bürgern Vertretungskörperschaften nach den Grundsätzen des
Artikels 76 zu wählen. Diesen steht die Wahl der leitenden Beamten zu. Die
endgültige Ernennung der Landräte bedarf der Zustimmung der Kreisversammlungen. Das Nähere
regelt das Selbstverwaltungsgesetz. VI.
Abschnitt: Die Wirtschafts- und Sozialordnung Art. 51 – Die Wirtschaft hat die Aufgabe,
durch Nutzung der natürlichen Hilfsquellen und durch Entwicklung der
Produktionstechnik für alle Glieder des Volkes die zur Befriedigung der
Lebensbedürfnisse erforderlichen Sachgüter zur Verfügung zu stellen. Die
Ordnung des Wirtschaftslebens muß den Grundsätzen der sozialen Gerechtigkeit
mit dem Ziel der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle
entsprechen. Der Staat
hat die Aufgabe, die Existenzgrundlage der heimischen Wirtschaft zu schützen,
die Wirtschaft zu beaufsichtigen, für eine gesunde Mischung großer, mittlerer
und kleiner Unternehmungen zu sorgen und die Erzielung höchstmöglicher Erträge
für das Volksganze sicherzustellen. Art. 52 – Die Vertragsfreiheit, die
Gewerbefreiheit, die Freiheit der Entwicklung persönlicher Entschlußkraft und
die Freiheit selbständiger Betätigung des Einzelnen bleiben in der Wirtschaft
erhalten. Die
wirtschaftliche Freiheit des Einzelnen findet ihre Grenzen in der Rücksicht auf
die Rechte des Nächsten und auf die Erfordernisse des Gemeinwohls. Jeder
Mißbrauch wirtschaftlicher Freiheit oder Macht ist unzulässig. Art. 53 – Die menschliche Arbeitskraft ist
als persönliche Leistung und wertvollstes Wirtschaftsgut des Volkes gegen
Ausbeutung, Betriebsgefahren und sonstige Schädigungen zu schützen. Jeder
Arbeitsfähige hat in Übereinstimmung mit den Forderungen des Gemeinwohls nach
seinen Fähigkeiten das Recht und unbeschadet seiner persönlichen Freiheit die
Pflicht zur Arbeit. Der
Erhaltung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit, dem Schutze der Mutterschaft,
der Vorsorge gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Schwächen,
Wechselfällen des Lebens und dem Schutze gegen die Folgen unverschuldeter Arbeitslosigkeit
dient eine dem ganzen Volk zugängliche Sozial- und Arbeitslosenversicherung. Sozial- und
Arbeitslosenversicherung unterstehen der Selbstverwaltung der Arbeitgeber und
Arbeitnehmer. Die Aufgaben des Staates sind auf die Führung der Aufsicht und
die Förderung ihrer Tätigkeit und Einrichtungen zu beschränken. Das Nähere
regelt das Gesetz. Art. 54 – Für alle Arbeitnehmer ist ein
einheitliches Arbeitsrecht zu schaffen. Im Rahmen dieses Arbeitsrechts können
Gesamtvereinbarungen nur zwischen den Gewerkschaften und den
Arbeitgebervertretungen abgeschlossen oder durch verbindlich erklärte
Schiedssprüche ersetzt werden. Schiedssprüche schaffen verbindliches Recht, das
durch private Vereinbarungen zu Ungunsten der Arbeitnehmer nicht abgedungen
werden kann. Das
Schlichtungswesen wird gesetzlich geregelt. Art. 55 – Die Arbeitsbedingungen sind so zu
gestalten, daß sie die Gesundheit, die Würde, das Familienleben und die
kulturellen Ansprüche der Arbeitnehmer sichern. Frauen und
Jugendlichen ist ein besonderer Schutz zu gewähren, und die leibliche,
sittliche und geistige Entwicklung der Jugend ist zu fördern. Gewerbsmäßige
Kinderarbeit ist verboten. Art. 56 – Das Arbeitsentgelt muß der
Leistung entsprechen, zum Lebensbedarf für den Arbeitenden und seine Familie
ausreichen und ihnen die Teilnahme an den Kulturgütern des Volkes ermöglichen.
Darüber hinaus soll dem Arbeitnehmer in geeigneter Weise ein gerechter Anteil
am Reinertrag je nach Art und Leistungsfähigkeit der Unternehmungen durch
Vereinbarung gesichert werden. Männer,
Frauen und Jugendliche haben grundsätzlich für gleiche Tätigkeit und Leistung
Anspruch auf den gleichen Lohn. Art. 57 – Der 8-Stunden-Tag ist die
gesetzliche Regel. Sonntage und gesetzliche Feiertage sind arbeitsfrei.
Ausnahmen sind zuzulassen, wenn es das Gemeinwohl erfordert. Der 1. Mai
ist gesetzlicher Feiertag für alle arbeitenden Menschen. Das
Arbeitsentgelt für die in die Arbeitszeit fallenden gesetzlichen Feiertage ist
zu zahlen. Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf einen bezahlten Urlaub von
mindestens 12 Arbeitstagen. Art. 58 – Jeder ist berechtigt, in
Übereinstimmung mit den Erfordernissen des Gemeinwohls seinen Beruf frei zu
wählen und ihn nach Maßgabe des Gesetzes in unbehinderter Freizügigkeit
auszuüben. Art. 59 – Wer in einem Dienst- oder
Arbeitsverhältnis steht, hat das Recht auf die Wahrnehmung staatsbürgerlicher
Rechte und auf die zur Ausübung ihm übertragener öffentlicher Ehrenämter
benötigte Freizeit. Er hat
Anspruch auf angemessenen Ersatz seines Verdienstausfalls. Das Nähere regelt
das Gesetz. Art. 60 – Das Eigentum ist ein Naturrecht
und wird vom Staat gewährleistet. Jedermann darf auf Grund der Gesetze Eigentum
erwerben und darüber verfügen. Das Recht der Verfügung über das Eigentum
schließt das Recht der Vererbung und Schenkung ein. Eigentum
verpflichtet gegenüber dem Volk. Sein Gebrauch darf nicht dem Gemeinwohl
zuwiderlaufen. Einschränkung
oder Entziehung des Eigentums sind nur auf gesetzlicher Grundlage zulässig,
wenn es das Gemeinwohl verlangt. Dies gilt auch für Urheber- und
Erfinderrechte. Enteignung
darf nur gegen angemessene Entschädigung erfolgen. Angemessen ist jede
Entschädigung, die die Belange der einzelnen Beteiligten sowie die Forderung
des Gemeinwohls berücksichtigt. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im
Streitfalle der ordentliche Rechtsweg offen. Art. 61 – Der Staat hat durch Gesetz,
unbeschadet der Pflicht zu angemessener Entschädigung, in sinngemäßer Anwendung
der für die Enteignung geltenden Bestimmungen privatrechtliche
Schlüsselunternehmungen (Kohlen-, Kali- und Erzbergbau, eisenerzeugende
Industrie, Energiewirtschaft sowie das an Schienen oder Oberleitungen gebundene
Verkehrswesen) in Gemeineigentum zu überführen, wenn mit diesen Unternehmungen
eine so große Macht verknüpft ist, daß sie ohne Gefährdung des Gemeinwohls der
Privathand nicht überantwortet bleiben kann. Diese Aufgabe ist unverzüglich
nach Inkrafttreten der Verfassung in Angriff zu nehmen. Ebenso kann
durch Gesetz eine Überführung von monopolartigen Unternehmungen in
Gemeineigentum erfolgen, wenn die Nutzung dem Gemeinwohl widerstreitet. Bei der
Überführung der Unternehmen in Gemeineigentum ist eine übermäßige
Zusammenballung wirtschaftlicher Macht in einer Hand durch Beteiligung der im
Betrieb tätigen Arbeitnehmer, von Gemeinden und Gemeindeverbänden sowie
Privatpersonen zu verhindern. In
Gemeineigentum stehende Unternehmen sollen, wenn es ihrem wirtschaftlichen
Zweck entspricht, in einer privatwirtschaftlichen Unternehmungsform geführt
werden. Art. 62 – Die Banken, Versicherungen und sonstigen
Geldinstitute unterliegen der Aufsicht des Staates. Der Staat hat unter
Zuziehung der Kräfte der Wirtschaftsselbstverwaltung die Maßnahmen zu treffen,
welche eine Lenkung der Geldinvestition in volkswirtschaftlich erwünschtem
Sinne sicherstellt. Art. 63 – Die Nutzung des Bodens ist eine
Pflicht des Besitzers gegenüber der Gemeinschaft. Land- und
forstwirtschaftlicher Großgrundbesitz ist, soweit er die für die verschiedenen
Nutzungsarten gesetzlich festzulegenden Höchstgrenzen übersteigt, nach gutachtlicher
Anhörung der Landwirtschaftskammer durch Gesetz zu enteignen. Die
Enteignung unterbleibt, soweit der Eigentümer freiwillig eine dem Gemeinwohl
entsprechende Aufteilung des Grundbesitzes vornimmt. Grundbesitz
kann auch enteignet werden, wenn dies zur Sicherung eines planvollen
Wohnungsbaues oder zur Förderung des Siedlungswesens notwendig ist. Das Nähere
regelt ein Gesetz. Für den
enteigneten Grundbesitz ist eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Die
Enteignung darf nicht erfolgen, wenn dadurch das Gemeinwohl, insbesondere die
Versorgung des Volkes gefährdet wird. Art. 64 – Grundbesitz, den sein Eigentümer
oder Pächter einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung entzieht, ist anderweitig zu
verpachten oder treuhänderisch zu verwalten. In besonderen Fällen kann
Enteignung erfolgen. Art. 65 – Die selbständigen Betriebe der
Landwirtschaft, der Industrie, des Gewerbes, Handwerks und Handels sind in der
Erfüllung ihrer volkswirtschaftlichen Aufgabe mit geeigneten Mitteln zu
fördern. Dies gilt
auch für den Ausbau genossenschaftlicher Selbsthilfe. Das
Genossenschaftswesen ist zu fördern. Art. 66 – Die Vereinigungsfreiheit zur
Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ist für jedermann
und für alle Berufe gewährleistet. Abreden oder Maßnahmen, welche diese
Freiheit ohne gesetzliche Grundlage einzuschränken oder zu behindern suchen,
sind unzulässig. Das
Streikrecht der Gewerkschaften im Rahmen der Gesetze wird anerkannt. Art. 67 – Alle in der Wirtschaft tätigen
Menschen sollen in gemeinschaftlicher Verantwortung an der Lösung der
wirtschafts- und sozialpolitischen Aufgaben mitwirken, um damit die
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Gegensätze zu überbrücken. Zum Zwecke
dieser Mitwirkung und Wahrung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Interessen
erhalten die Arbeitnehmer Vertretungen in Betriebsräten. Die
Betriebsvertretungen sind insbesondere berechtigt, zu den Versammlungen der
Gesellschaften, ihrer Aufsichtsräte usw. eine angemessene Zahl Vertreter mit
Sitz und Stimme zu entsenden. Bei Beschlüssen
des Unternehmers, welche die Belange der Belegschaft ernsthaft beeinträchtigen
könnten, hat die Betriebsvertretung mitzuwirken. Das Nähere
regelt das Gesetz. Art. 68 – Die anerkannten Vereinigungen von
Arbeitnehmern und Arbeitgebern der gewerblichen Wirtschaft sollen auf der
Grundlage der Gleichberechtigung zu Wirtschaftsgemeinschaften
zusammengeschlossen werden. Die Wirtschaftsgemeinschaften haben die gemeinsamen
Angelegenheiten ihres Bereiches zu behandeln. Insbesondere obliegt ihnen die
Wahrnehmung der Interessen ihres Wirtschaftszweiges in der Gesamtwirtschaft. Art. 69 – Alle Unternehmungen eines Bezirkes
finden ihre öffentlich-rechtliche Organisation jeweils in den Industrie- und
Handelskammern, Handwerkskammern, Landwirtschaftskammern und der Kammer der
freien Berufe. Der räumliche Zuständigkeitsbereich der Kammern soll in der
Regel mit den Gebieten der Regierungsbezirke übereinstimmen. In den
Kammern wirken Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammen. Das Ausmaß der
Beteiligung der Arbeitnehmer richtet sich nach Art und Aufgabengebiet der
einzelnen Kammern, In den
Industrie. und Handelskammern sind Arbeitgeber und Arbeitnehmer
gleichberechtigt vertreten. Das Nähere
regelt das Gesetz. Art. 70 – Bei Lenkung der Erzeugung und
Güterverteilung durch den Staat ist die gleichberechtigte Mitwirkung der
Vertretungen von Unternehmern und Arbeitnehmern zu sichern. Art. 71 – Die Hauptwirtschaftskammer ist das
Zentralorgan der Wirtschaft. Sie besteht aus je 13 Vertretern der Arbeitgeber
und Arbeitnehmer sowie aus drei von diesen hinzuzuwählenden
Wirtschaftssachverständigen. Die
Vertretung der Arbeitgeber und Arbeitnehmer setzt sich zusammen aus je 8 Vertretern
der Industrie- und Handelskammern, 8 Vertretern
der Handwerkskammern, 8 Vertretern der Landwirtschaftskammer, und aus 2
Vertretern der Kammern der freien Berufe. Das Nähere
regelt das Gesetz. Art. 72 – Die Hauptwirtschaftskammer soll
Gesetzentwürfe wirtschafts- und sozialpolitischen Inhaltes begutachten. Sie
kann dem Landtag Gesetzesvorlagen unterbreiten. Art. 73 – Die Hauptwirtschaftskammer soll
von der Regierung bei allen wirtschaftlichen und sozialen Maßnahmen von
grundsätzlicher Bedeutung gehört werden. In der Ausarbeitung von Plänen der
Regierung über die Lenkung der Arbeit, den Einsatz der Betriebsmittel und die
Güterverteilung soll die Hauptwirtschaftskammer beteiligt werden. Zweiter
Hauptteil Aufbau
und Aufgaben des Staates I.
Abschnitt: Die Grundlagen des Staates Art. 74 – Rheinland-Pfalz ist ein
demokratischer und sozialer Gliedstaat Deutschlands. Träger der
Staatsgewalt ist das Volk. Landesfarben
und Landeswappen bestimmt ein Gesetz. Art. 75 – Das Volk handelt nach den
Bestimmungen dieser Verfassung durch seine Staatsbürger und die von ihnen
bestellten Organe. Staatsbürger
sind alle Deutschen, die ihren Wohnsitz in Rheinland-Pfalz haben. Das Nähere
regelt ein Gesetz. Art. 76 – Alle Volksabstimmungen (Wahlen,
Volksbegehren, Volksentscheid) auf Grund dieser Verfassung sind allgemein,
gleich, unmittelbar, geheim und frei. Zur
Teilnahme berechtigt sind alle Staatsbürger, die das 21. Lebensjahr vollendet
und seit einem halben Jahre Wohnsitz im Lande haben, sofern ihnen nicht die
Geschäftsfähigkeit oder die staatsbürgerlichen Rechte aberkannt sind. Art. 77 – Die verfassungsmäßige Trennung der
gesetzgebenden, rechtsprechenden und vollziehenden Gewalt ist unantastbar. Art. 78 – Das Land Rheinland-Pfalz umfaßt
die Bezirke Koblenz, Montabaur, Rheinhessen und Trier und die Pfalz. Über
Selbstverwaltungsrechte der einzelnen Landesteile, insbesondere der Pfalz,
befindet das Selbstverwaltungsgesetz. II.
Abschnitt: Organe des Volkswillens 1.
Der Landtag Art. 79 – Der Landtag besteht aus 100 vom
Volk gewählten Abgeordneten. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, nur ihrem
Gewissen unterworfen und an Aufträge nicht gebunden. Art. 80 – Die Abgeordneten werden nach den
Grundsätzen der Verhältniswahl in Wahlkreisen gewählt. Wählbar ist
jeder Stimmberechtigte, der das 25. Lebensjahr vollendet hat. Der Wahltag
muß ein Sonntag sein. Das Nähere
regelt das Wahlgesetz. Es kann bestimmen, daß Landtagssitze nur solchen
Wahlvorschlägen zugeteilt werden, die mindestens 5 vom Hundert der im Lande
abgegebenen gültigen Stimmen erreicht haben. Art. 81 – Der Abgeordnete kann auf die
Mitgliedschaft im Landtag jederzeit verzichten. Der Verzicht ist persönlich
gegenüber dem Präsidenten des Landtags zu erklären und ist unwiderruflich. Das Mandat
eines Abgeordneten, der ein Ministeramt oder die Stellvertretung innehat, kann
auf seinen Antrag für die Dauer dieses Amtes mit der Maßgabe zum Ruhen gebracht
werden, daß es für die Dauer des Ruhens dem nächstberufenen Listennachfolger
zusteht. Art. 82 – Die Gültigkeit der Wahlen prüft
ein bei dem Landtag gebildetes Wahlprüfungsgericht. Es entscheidet auch
darüber, ob ein Abgeordneter die Mitgliedschaft infolge nachträglicher Änderung
des Wahlergebnisses, Verlusts der Wahlfähigkeit oder Verzichts verloren hat. Das
Wahlprüfungsgericht besteht aus drei auf die Dauer der Wahlperiode gewählten
Mitgliedern des Landtags, dem Präsidenten des Landesverwaltungsgerichts und
seinem Stellvertreter. Es trifft seine Entscheidung auf Grund öffentlicher
mündlicher Verhandlung; im übrigen regelt es sein Verfahren selbst. Art. 83 – Der Landtag wird auf 4 Jahre
gewählt (Wahlperiode). Die Neuwahl
muß vor Ablauf der Wahlperiode stattfinden. Der Landtag
versammelt sich in der Regel am Sitze der Landesregierung. Er tritt
erstmals am 17. Tage nach der Wahl zusammen. Fällt dieser Tag noch in die
Wahlperiode des alten Landtags, so versammelt sich der neue Landtag am Tag nach
Ablauf der früheren Wahlperiode. Der
Präsident des Landtags muß ihn jederzeit berufen, wenn die Landesregierung oder
ein Drittel der Mitglieder des Landtags es verlangt. Der Landtag
bestimmt den Schluß der Tagung und den Zeitpunkt des Wiederzusammentritts. Art. 84 – Der Landtag kann sich durch
Beschluß der Mehrheit seiner Mitglieder selbst auflösen. Die Neuwahl
eines aufgelösten Landtages findet spätestens am 6. Sonntag nach der Auflösung
statt. Art. 85 – Der Landtag gibt sich seine
Geschäftsordnung. Er wählt
seinen Präsidenten, dessen Stellvertreter und seine Schriftführer. Präsident
und Stellvertreter führen ihre Geschäfte bis zum Zusammentritt eines neuen
Landtags fort; sie genießen dabei die in den Art. 93 bis 97 festgelegten
Rechte. Der
Präsident verwaltet die gesamten wirtschaftlichen Angelegenheiten des Landtags
nach Maßgabe des Landeshaushaltsgesetzes. Er ernennt und entläßt im Benehmen
mit dem Vorstand alle Bediensteten des Landtags und führt über sie die
Dienstaufsicht. Er vertritt das Land in allen Angelegenheiten seiner
Verwaltung. Er übt das Hausrecht und die Polizeigewalt im Landtagsgebäude aus. Art. 86 – Der Landtag verhandelt öffentlich.
Auf Antrag von 10 Abgeordneten, einer Fraktion oder der Landesregierung kann
die Öffentlichkeit mit Zweidrittelmehrheit ausgeschlossen werden; über den
Antrag wird in geheimer Sitzung verhandelt. Art. 87 – Wahrheitsgetreue Berichte über die
Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen des Landtags oder seiner Ausschüsse
bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei. Art. 88 – Der Landtag beschließt mit
einfacher Stimmenmehrheit, sofern die Verfassung kein anderes Stimmverhältnis
vorschreibt. Er ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder
anwesend ist. Art. 89 – Der Landtag und seine Ausschüsse
können die Anwesenheit jedes Mitglieds der Landesregierung verlangen. Die
Mitglieder der Landesregierung und ihre Beauftragten haben zu den Sitzungen
Zutritt. Auf
Verlangen müssen sie auch außerhalb der Tagesordnung gehört werden. Sie
unterstehen der Ordnungsgewalt des Vorsitzenden. Art. 90 – Der Landtag kann an ihn gerichtete
Eingaben der Landesregierung überweisen und von ihr Auskunft über eingegangene
Anträge und Beschwerden verlangen. Art. 91 – Der Landtag hat das Recht und auf
Antrag von einem Fünftel seiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse
einzusetzen. Die Zahl ihrer Mitglieder bestimmt der Landtag, doch muß jede
Fraktion vertreten sein. Diese
Ausschüsse erheben Beweis in öffentlicher Verhandlung. Die
Öffentlichkeit kann mit Zweidrittelmehrheit ausgeschlossen werden. Gerichte und
Verwaltungsbehörden sind verpflichtet, dem Ersuchen der Ausschüsse um
Beweiserhebung Folge zu leisten. Die Akten der Behörden und
öffentlich-rechtlichen Körperschaften sind ihnen auf Verlangen vorzulegen. Auf die
Erhebungen der Ausschüsse und der von ihnen ersuchten Behörden finden die
Vorschriften der Strafprozeßordnung sinngemäße Anwendung, doch bleibt das
Brief-, Post-, Telegraphen- und Fernsprechgeheimnis unberührt. Art. 92 – Der Landtag bestellt zur Wahrung
der Rechte der Volksvertretung gegenüber der Landesregierung für die Zeit
außerhalb der Tagung und nach Beendigung einer Wahlperiode oder nach der
Auflösung des Landtags bis zum Zusammentritt des neuen Landtags einen ständigen
Ausschuß (Zwischenausschuß), der die Rechte eines Untersuchungsausschusses hat.
Seine Mitglieder genießen den Schutz der Artikel 93 bis 97. Art. 93 – Kein Abgeordneter darf zu
irgendeiner Zeit wegen seiner Abstimmung oder wegen der in Ausübung seines
Mandats getanen Äußerungen gerichtlich oder dienstlich verfolgt oder sonst
außerhalb der Versammlung zur Verantwortung gezogen werden. Art. 94 – Kein Abgeordneter kann ohne
Genehmigung des Landtages während der Sitzungsperiode wegen einer mit Strafe
bedrohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, es sei denn,
daß er bei Ausübung der Tat oder spätestens am folgenden Tage festgenommen
wird. Die gleiche
Genehmigung ist bei jeder anderen Beschränkung der persönlichen Freiheit
erforderlich, welche die Ausübung des Mandats beeinträchtigt. Jedes Strafverfahren
gegen einen Abgeordneten und jede Haft oder sonstige Beschränkung seiner
persönlichen Freiheit wird auf Verlangen des Landtags für die Dauer der
Sitzungsperiode aufgehoben. Art. 95 – Abgeordnete sind berechtigt, über
Personen, die ihnen oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut
haben, sowie über diese Tatsachen selbst das Zeugnis zu verweigern.
Hinsichtlich der Beschlagnahme von Schriftstücken stehen sie den Personen
gleich, die ein gesetzliches Zeugnisverweigerungsrecht haben. Eine
Durchsuchung oder Beschlagnahme darf in den Räumen des Landtags nur mit
Zustimmung des Präsidenten vorgenommen werden. Art. 96 – Abgeordnete bedürfen zur Ausübung
ihres Mandats keines Urlaubs. Bewerben sie sich um einen Sitz im Landtag, so
ist ihnen der zur Vorbereitung der Wahl erforderliche Urlaub zu gewähren. Auf
Geistliche und Ordensleute finden diese Bestimmungen keine Anwendung. Art. 97 – Die Mitglieder des Landtags haben
das Recht der freien Benutzung aller öffentlichen Verkehrs- und Nachrichtenmittel,
sowie auf Entschädigung nach Maßgabe eines Landesgesetzes. Der Präsident des
Landtags erhält außerdem für die Dauer seines Amtes eine Aufwandsentschädigung. Ein Verzicht
auf diese Entschädigung ist unstatthaft. 2.
Die Landesregierung Art. 98 – Die Landesregierung besteht aus
dem Ministerpräsidenten und den Ministern. Der Landtag
wählt ohne Aussprache den Ministerpräsidenten mit der Mehrheit der gesetzlichen
Mitgliederzahl. Der Ministerpräsident ernennt und entläßt die Minister. Die
Regierung bedarf zur Übernahme der Geschäfte der ausdrücklichen Bestätigung des
Landtags. Zur Entlassung eines Ministers ist die Zustimmung des Landtags
erforderlich. Art. 99 – Die Landesregierung und die
Minister bedürfen zu ihrer Amtsführung des Vertrauens des Landtags. Sie müssen
zurücktreten, wenn ihnen der Landtag mit der Mehrheit der gesetzlichen
Mitgliederzahl das Vertrauen entzieht. Der Antrag
auf Entziehung des Vertrauens darf frühestens am zweiten Tage nach Schluß der
Aussprache und muß spätestens binnen einer Woche nach seiner Einbringung
erledigt werden; über ihn wird namentlich abgestimmt. Wird dem
Ministerpräsidenten, der Landesregierung oder einem Minister das Vertrauen
entzogen, so haben sie die Geschäfte solange weiterzuführen, bis eine neue
Regierung gebildet oder ein neuer Minister ernannt ist. Falls der
Landtag nicht innerhalb von 4 Wochen nach dem Beschluß, der Landesregierung das
Vertrauen zu entziehen, einer neuen Regierung das Vertrauen ausspricht, ist er
aufgelöst. Art. 100 – Der Ministerpräsident und die
Minister leisten bei ihrem Amtsantritt vor dem Landtag folgenden Eid: “Ich schwöre
bei Gott dem Allmächtigen und Allwissenden, daß ich mein Amt unparteiisch,
getreu der Verfassung und den Gesetzen zum Wohl des Volkes führen werde, so
wahr mir Gott helfe.” Die
Vorschrift des Artikels 8 Abs. 3 Satz 2 bleibt unberührt. Art. 101 – Der Ministerpräsident vertritt
das Land Rheinland-Pfalz. Staatsverträge bedürfen der Zustimmung des Landtags. Art. 102 – Der Ministerpräsident ernennt und
entläßt die Staatsbeamten, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt
ist. Art. 103 – Der Ministerpräsident hat das
Recht, im Wege der Gnade rechtskräftig erkannte Strafen zu erlassen oder zu
mildern. Durch die Geschäftsordnung kann dieses Recht bei Verurteilung durch
die ordentlichen Gerichte dem Minister der Justiz, in den übrigen Fällen jedem
Minister für seinen Geschäftsbereich übertragen werden. Die Bestätigung eines
Todesurteils bleibt der Landesregierung vorbehalten. Amnestien
bedürfen des Gesetzes. Art. 104 – Der Ministerpräsident bestimmt
die Richtlinien der Politik und ist dafür dem Landtag verantwortlich. Innerhalb
dieser Richtlinien leitet jeder Minister seinen Geschäftsbereich selbständig
und unter eigener Verantwortung gegenüber dem Landtag. Das Weitere regelt die
Landesregierung durch ihre Geschäftsordnung. Art. 105 – Der Ministerpräsident führt den
Vorsitz in der Landesregierung. Bei Stimmengleichheit gibt seine Stimme den
Ausschlag. Die
Landesregierung beschließt über die Zuständigkeit der einzelnen Minister,
soweit darüber nicht gesetzliche Vorschriften getroffen sind. Die Beschlüsse
sind unverzüglich dem Landtag vorzulegen und auf sein Verlangen zu ändern oder
außer Kraft zu setzen. Der Ministerpräsident bestimmt seinen Stellvertreter mit
Zustimmung des Landtags. Meinungsverschiedenheiten
über Fragen, die den Geschäftsbereich mehrerer Minister berühren, sind der
Landesregierung zur Beratung und Beschlußfassung zu unterbreiten. Art. 106 – Die Mitglieder der
Landesregierung haben Anspruch auf Besoldung. III.
Abschnitt: Die Gesetzgebung Art. 107 – Die Gesetzgebung wird ausgeübt a) durch das
Volk im Wege des Volksentscheids, b) durch den
Landtag. Art. 108 – Gesetzesvorlagen können im Wege
des Volksbegehrens, durch die Landesregierung oder aus der Mitte des Landtags
eingebracht werden. Art. 109 – Volksbegehren können darauf
gerichtet werden a) Gesetze
zu erlassen, zu ändern oder aufzuheben, b) den
Landtag aufzulösen. Sie sind an
die Landesregierung zu richten und von ihr mit einer eigenen Stellungnahme
unverzüglich dem Landtag zu unterbreiten. Dem Volksbegehren muß im Falle a) ein
ausgearbeiteter Gesetzentwurf zugrunde liegen. Volksbegehren
können von einem Fünftel der Stimmberechtigten gestellt werden, es sei denn,
daß die Verfassung etwas anderes vorschreibt. Volksbegehren über Finanzfragen,
Abgabengesetze und Besoldungsordnungen sind unzulässig. Entspricht
der Landtag einem Volksbegehren nicht, so findet ein Volksentscheid statt. Die
Mehrheit der abgegebenen gültigen Stimmen entscheidet über Annahme oder Ablehnung. Das Nähere
bestimmt das Wahlgesetz. Art. 110 – Die zur Ausführung von Gesetzen
erforderlichen Rechts- und Verwaltungsanordnungen erläßt, soweit nicht anders
bestimmt ist, die Landesregierung. Art. 111 – Erfordert die Behebung eines
ungewöhnlichen Notstandes, der durch Naturkatastrophen oder andere äußere
Einwirkungen verursacht ist, dringliche Maßnahmen, so kann die Landesregierung
Verordnungen mit Gesetzeskraft erlassen. Diese dürfen der Verfassung nicht
zuwiderlaufen. Sie sind dem Landtag oder dem Zwischenausschuß sofort zur
Genehmigung vorzulegen. Wird sie versagt, so tritt die Verordnung außer Kraft. Art. 112 – Wird die öffentliche Sicherheit
und Ordnung erheblich gestört und dadurch der verfassungsmäßige Bestand des
Landes gefährdet, so kann die Landesregierung alle notwendigen Maßnahmen
treffen, insbesondere Verordnungen mit Gesetzeskraft erlassen und die
Grundrechte der freien Meinungsäußerung, der Versammlungs- und
Vereinigungsfreiheit, des Brief-, Post-, Telegraphen- und
Fernsprechgeheimnisses und der Freizügigkeit (Artikel 10, 12 bis 15) auf die
Dauer einer Woche einschränken oder außer Kraft setzen. Die sonstigen
Grundrechte dürfen nicht angetastet werden. Von allen hiernach getroffenen
Maßnahmen hat die Landesregierung gleichzeitig dem Landtag oder dem
Zwischenausschuß Kenntnis zu geben. Sie sind auf dessen Verlangen außer Kraft
zu setzen. Art. 113 – Der Ministerpräsident hat die
verfassungsmäßig zustandegekommenen Gesetze auszufertigen und binnen
Monatsfrist im Landesgesetzblatt zu verkünden. Sie treten,
soweit sie nicht anders bestimmen, mit dem 14. Tage nach Ausgabe des
Landesgesetzblattes in Kraft. Art. 114 – Die Verkündung eines
Landesgesetzes ist um zwei Monate auszusetzen, wenn es ein Drittel des
Landtages verlangt. Erklärt der Landtag ein Gesetz für dringlich, so kann der
Ministerpräsident es ungeachtet dieses Verlangens verkünden. Art. 115 – Ein Gesetz, dessen Verkündung auf
Antrag von einem Drittel des Landtags ausgesetzt ist, ist dem Volksentscheid zu
unterbreiten, wenn ein Zwanzigstel der Stimmberechtigten es beantragt. IV.
Abschnitt: Finanzwesen Art. 116 – Der Landeshaushalt wird zu Beginn
jedes Rechnungsjahres durch Gesetz festgestellt. Er enthält alle Einnahmen und
Ausgaben des Landes. Die
Ausgabenbewilligung darf nur in besonderen Fällen über die Dauer des
Rechnungsjahres hinausgehen. Kommt das
Haushaltsgesetz nicht rechtzeitig zustande, so führt die Regierung den Haushalt
zunächst nach dem Haushaltsplan des Vorjahres weiter. Art. 117 – Kreditaufnahmen dürfen nur bei
außerordentlichem Bedarf, in der Regel nur für Ausgaben zu werbenden Zwecken
erfolgen. Sie erfolgen, ebenso wie die Übernahme einer Sicherheitsleistung, nur
auf Grund eines Gesetzes. Art. 118 – Der Landtag kann Ausgaben, die
über den Voranschlag der Regierung oder den festgestellten Haushaltsplan
hinausgehen, nur beschließen, wenn Deckung gewährleistet ist. Der Beschluß
bedarf der Zustimmung der Landesregierung. Art. 119 – Jede Überschreitung des
Haushaltsplanes bedarf der nachträglichen Genehmigung des Landtags. Art. 120 – Die Rechnungsprüfung erfolgt
durch einen mit richterlicher Unabhängigkeit ausgestatteten Rechnungshof. V.
Abschnitt: Die Rechtsprechung Art. 121 –
Die richterliche Gewalt üben im Namen des Volkes unabhängige, allein der
Verfassung, dem Gesetz und ihrem Gewissen unterworfene Richter aus. Art. 122 –
Die planmäßigen Richter der ordentlichen und der Verwaltungsgerichte werden auf
Lebenszeit bestellt; die Vorschrift des Art. 126 Abs. 1 findet Anwendung. Gegen ihren
Willen können sie nur nach richterlicher Entscheidung und nur aus den Gründen
und unter den Formen, welche die Gesetze bestimmen, dauernd oder zeitweise
ihres Amtes enthoben, in eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt
werden. Die Gesetze können Altersgrenzen festlegen, bei deren Erreichung
Richter in den Ruhestand treten. Unberührt
bleiben vorläufige Amtsenthebungen, die kraft Gesetzes eintreten. Unfreiwillige
Versetzungen an ein anderes Gericht oder Entfernung vom Amt, jedoch nur unter
Belassung des vollen Gehaltes, kann die Landesjustizverwaltung verfügen, wenn
die Einrichtung der Gerichte oder die Gerichtsbezirke verändert werden. Art. 123 – In der Rechtspflege wirken Männer
und Frauen aus dem Volke mit in den Fällen, die das Gesetz bestimmt. Die
Vorschriften des Art. 122 finden auf diese Laienrichter keine Anwendung. Art. 124 – Die Verwaltungsgerichte
entscheiden auf Anrufung durch den Betroffenen darüber, ob Anordnungen und
Verfügungen der Verwaltungsbehörden dem Gesetz entsprechen und die Grenzen
pflichtgemäßen Ermessens nicht überschreiten. Die
Vorschriften der Artikel 121 und 132
gelten für alle, die des Artikels 122 für
die hauptamtlichen Richter der Verwaltungsgerichtsbarkeit. VI.
Abschnitt: Die Verwaltung Art. 125 –
Die Hoheitsrechte des Staates werden in der Regel von Berufs- oder Ehrenbeamten
ausgeübt. Art. 126 –
Berufsbeamte werden in der Regel auf Lebenszeit ernannt, nachdem sie sich
während mindestens 5 und höchstens 10 Jahren fachlich bewährt und Treue zur demokratischen Verfassung
bewiesen haben. Nach der
Anstellung auf Lebenszeit kann ihre Entfernung aus dem Amt nach Maßgabe des
Disziplinargesetzes auch dann erfolgen, wenn diese Voraussetzungen nicht mehr
erfüllt sind. Art. 127 –
Alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes sind Diener des ganzen Volkes, nicht
einer Partei. Die Freiheit ihrer politischen Betätigung und
Vereinigungsfreiheit wird gewährleistet. Sie haben
das Recht, ihre Personalnachweise einzusehen. Art. 128 – Verletzt jemand in Ausübung der
ihm anvertrauten öffentlichen Gewalt seine Amtspflicht, so haftet für die
Folgen der Staat oder die öffentlich-rechtliche Körperschaft, in deren Diensten
er steht. Der Rückgriff gegen den Schädiger bleibt vorbehalten. Der ordentliche
Rechtsweg darf nicht ausgeschlossen werden. VII.
Abschnitt: Der Schutz der Verfassung Art. 129 – Ein verfassungsänderndes Gesetz
kommt nur zustande, wenn der Landtag es mit einer Mehrheit von zwei Dritteln
der gesetzlichen Mitgliederzahl oder das Volk im Wege des Volksentscheides mit
der Mehrheit der Stimmberechtigten beschließt. Unzulässig
sind jedoch Abänderungsanträge, welche die im Vorspruch, in Art. 1 und Art. 74
niedergelegten Grundsätze verletzen. Die
Vorschriften dieses Artikels sind unabänderlich. Art. 130 –
Die Regierung, der Landtag und jede Landtagsfraktion und jede Körperschaft des
öffentlichen Rechts, die sich in ihren Rechten beeinträchtigt glaubt, sowie
jede politische Partei, die bei der letzten Landtagswahl 10 vom Hundert der
gültigen Stimmen erhalten hat, können eine Entscheidung des
Verfassungsgerichtshofes darüber beantragen, ob ein Gesetz, eine
Gesetzesvorlage oder die Handlung eines Staatsorgans verfassungswidrig ist. Das gleiche
Recht steht jedem Betroffenen hinsichtlich der Frage zu, ob die
verfassungsmäßigen Voraussetzungen einer Sozialisierung gem. Art. 61 gegeben sind. Im übrigen
hat jedermann das Recht, in jedem Verfahren vor den ordentlichen Gerichten oder
Verwaltungsgerichten sich darauf zu berufen, daß ein Gesetz oder die Verfügung
eines Verwaltungsorgans verfassungswidrig sei. Das mit der Sache befaßte
Gericht hat über diese Rüge vorab zu entscheiden. Bejaht es die
Verfassungswidrigkeit, so beschließt stets, sonst auf Antrag eines Beteiligten
das Oberlandesgericht bzw. das Landesverwaltungsgericht im zweiten Rechtszuge.
Bejaht auch dieses die Verfassungswidrigkeit, so ist die Entscheidung des
Verfassungsgerichtshofes herbeizuführen. Art. 131 – Jedes Mitglied einer Regierung,
das in oder bei seiner Amtsführung die Verfassung oder ein Gesetz vorsätzlich
oder grobfahrlässig verletzt, oder die öffentliche Sicherheit und Wohlfahrt des
Landes schwer gefährdet, kann noch innerhalb 10 Jahren nach seinem Rücktritt
oder seiner Entlassung vom Landtag angeklagt werden. Die
Anklageerhebung muß von 30 Mitgliedern des Landtags schriftlich beantragt und
mit verfassungsändernder Mehrheit beschlossen werden. Wird die
Schuld des Angeklagten festgestellt, so ist auf seine Entlassung zu erkennen,
wenn er sich noch im Amt befindet. Daneben können einzeln oder nebeneinander,
auf Zeit oder für dauernd verhängt werden: teilweise oder völlige Vermögenseinziehung,
Verlust öffentlich-rechtlicher Versorgungsansprüche, Unfähigkeit zur Bekleidung
öffentlicher Ämter, Verlust des Wahlrechts, der Wählbarkeit und des Rechts zu
politischer Tätigkeit jeder Art, Wohn- und Aufenthaltsbeschränkungen. Eine Strafverfolgung
nach den allgemeinen Strafgesetzen wird durch dieses Verfahren nicht gehindert. Das Weitere
bestimmt ein Gesetz. Art. 132 – Verletzt ein Richter vorsätzlich
seine Pflicht, das Recht zu finden, oder verstößt er im Amt oder außerhalb
desselben gegen die Grundsätze der Verfassung, so kann der Ministerpräsident
den Generalstaatsanwalt anweisen, Anklage vor dem Verfassungsgerichtshof zu
erheben. Die
Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ist richterliche Entscheidung im
Sinne des Art. 122. Art. 133 – Wer darauf ausgeht, die
sittlichen oder politischen Grundlagen des Gemeinschaftslebens, besonders die
verfassungsmäßigen Freiheiten und Rechte durch Gewaltanwendung oder Mißbrauch
formaler Rechtsbefugnisse zu untergraben oder aufzuheben, wird strafrechtlich
verfolgt und kann sich auf die Grundrechte nicht berufen. Parteien
oder sonstige Vereinigungen, deren Programm oder Betätigung auf derartige Ziele
gerichtet sind oder deren Mitglieder oder Anhänger in beträchtlicher Zahl
solchen gemeinschädlichen Bestrebungen nachgehen, sind von der Beteiligung an
Wahlen oder Abstimmungen auszuschließen, wenn die Landesregierung und der
Landtag dies gemeinsam beantragen. Art. 134 – Es wird ein
Verfassungsgerichtshof gebildet. Er besteht
aus dem Präsidenten des Landesverwaltungsgerichts als Vorsitzenden, drei
weiteren Berufsrichtern und fünf Beisitzern, die nicht die Befähigung zum
Richteramt haben müssen. Ist der Vorsitzende verhindert, so vertritt ihn der
rangälteste Richter des Landesverwaltungsgerichts. Die übrigen
Mitglieder wählt der Landtag erstmals in seiner konstituierenden Sitzung auf
die Dauer von 4 Jahren, später jeweils einen Monat vor Ablauf ihrer Amtsdauer.
Die Berufsrichter und ihre Stellvertreter, von denen je zwei der ordentlichen
Gerichtsbarkeit angehören müssen, entnimmt er einem mindestens 12 Namen
enthaltenden Vorschlag des Präsidenten des Landesverwaltungsgerichts. Die
übrigen Beisitzer und ihre Stellvertreter müssen mindestens 35 Jahre alt sein
und dürfen weder dem Landtag noch der Landesregierung angehören. Art. 135 – Der Verfassungsgerichtshof
entscheidet darüber a) ob ein
Gesetz, eine Gesetzesvorlage oder die Handlung eines Staats- oder
Verwaltungsorgans verfassungswidrig ist (Art. 130 Abs. 1 und 3), b) ob ein
Antrag auf Abänderung der Verfassung unzulässig ist (Art. 129 und 130), c) ob die
Voraussetzungen für eine Sozialisierung vorliegen (Art. 130 Abs. 2), ferner
entscheidet er d) über die
Anklage gegen Mitglieder der Regierung (Art. 131), e) über die
Anklage gegen Richter (Art. 132), f) über den
Ausschluß von Parteien oder Vereinigungen von Wahlen und Abstimmungen (Artikel
133 Abs. 2). Er bestimmt
sein Verfahren selbst. Die Urteile vollstreckt der Ministerpräsident. Die
Geschäfte werden beim Landesverwaltungsgericht geführt. Art. 136 – Die Entscheidungen des
Verfassungsgerichtshofs haben Gesetzeskraft. Stellt er
fest, daß ein mit verfassungsändernder Mehrheit beschlossenes Gesetz den im
Vorspruch, in Artikel 1 und Artikel 74 ausgesprochenen Grundsätzen
widerspricht, so bindet diese Entscheidung auch den Gesetzgeber. VIII.
Abschnitt: Übergangs- und Schlußbestimmungen Art. 137 – Das in Rheinland-Pfalz geltende
Recht bleibt in Kraft, soweit diese Verfassung nicht entgegensteht. Bestimmungen
des über Rheinland-Pfalz hinaus geltenden bürgerlichen Rechts, des Handels-,
Urheber-, Patent-, Arbeits-, Sozial- und Strafrechts sowie des zu gehörigen
Verfahrensrechts können nur durch Beschluß der Mehrheit der gesetzlichen
Mitgliederzahl des Landtags geändert werden. Art. 138 – Soweit in Gesetzen oder Verordnungen
auf Vorschriften und Einrichtungen verwiesen ist, die durch diese Verfassung
aufgehoben sind, treten an ihre Stelle die entsprechenden Vorschriften und
Einrichtungen dieser Verfassung. Art. 139 – Allen natürlichen und
juristischen Personen einschließlich der Kirchen, Religionsgemeinschaften und
Gewerkschaften sowie ihrer Anstalten, Stiftungen, Vermögensmassen und
Vereinigungen sind auf Antrag jene Vermögensstücke zurückzugeben, die ihnen
durch Maßnahmen des Staates oder der Nationalsozialistischen Partei oder ihrer
Hilfsorganisationen in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis 8. Mai 1945 aus
politischen Gründen entzogen worden sind. Die Opfer
des Faschismus, die Kriegsopfer und ihre Hinterbliebenen haben Anspruch auf
eine angemessene Versorgung. Für Geld- und
Sachwertverluste als Folgen nationalsozialistischer Kriegs- und
Wirtschaftspolitik hat ein sozialer Lastenausgleich zu erfolgen. Art. 140 – Die verfassungsmäßig anerkannten
Freiheiten und Rechte können nicht den Bestimmungen entgegengehalten werden,
die ergangen sind oder vor dem 1 – Januar 1949 noch ergehen werden, um den
Nationalsozialismus und den Militarismus zu überwinden und das von ihm
verschuldete Unrecht wiedergutzumachen. Art. 141 – Bestimmungen dieser Verfassung,
die der künftigen Deutschen Verfassung widersprechen, treten außer Kraft,
sobald diese rechtswirksam wird. Art. 142 – Die Wahlen zum ersten Landtag
finden gleichzeitig mit der Volksabstimmung über diese Verfassung statt. Art. 143 – Die Regierung hat die zur
Ausführung von Verfassungsbestimmungen erforderlichen Gesetze spätestens binnen
zwei Jahren nach dem Zusammentreten des Landtages den gesetzgebenden
Körperschaften zur Beschlußfassung vorzulegen. Art. 144 – Diese Verfassung tritt mit ihrer
Annahme durch das Volk in Kraft. Die vorläufige
Landesregierung gilt bis zur Bildung einer neuen Regierung als
geschäftsführende Regierung im Sinne des Art. 99 Abs. 4. Der
Hauptausschuß der Beratenden Versammlung gilt als Ausschuß im Sinne des Art.
92. Die am Tage der Annahme dieser Verfassung durch das Volk gewählten Abgeordneten bilden den 1. Landtag im Sinne dieser Verfassung. Koblenz, den 18. Mai 1947. (Unterschrift) FONTE: Huber, Ernst Rudolf (a cura di), Quellen zum Staatsrecht der Neuzeit, Band 2, Deutsche Verfassungsdokumente der Gegenwart (1919-1951), Dr. M. Matthiesen & Co. KG., Tübingen 1951. |
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