Verfassungsurkunde
für das Königreich Bayern 26.
Mai 1818 (Bayerisches
Gesetzblatt 1818, S. 101) Maximilian Joseph,
von Gottes Gnaden König von Baiern. Von den hohen Regentenpflichten
durchdrungen und geleitet, haben Wir Unsere bisherige Regierung mit solchen
Einrichtungen bezeichnet, welche Unser fortgesetztes Bestreben, das Gesammtwohl
Unserer Unterthanen zu befördern, beurkunden. Zur festern Begründung desselben
gaben Wir schon im Jahre 1808 Unserem Reiche eine seinen damaligen äußern und
innern Verhältnissen angemessene Verfassung, in welche Wir schon die Einführung
einer ständischen Versammlung, als eines wesentlichen Bestandtheiles,
aufgenommen haben. ù Kaum hatten die großen, seit jener Zeit eingetretenen
Weltbegebenheiten, von welchen kein deutscher Staat unberührt geblieben ist,
und während welcher das Volk von Baiern gleich groß im erlittenen Drucke wie im
bestandenen Kampfe sich gezeigt hat, in der Acte des Wiener Congresses ihr Ziel
gefunden, als Wir sogleich das nur durch die Ereignisse der Zeit unterbrochene
Werk, mit unverrücktem Blicke auf die allgemeinen und besondern Forderungen des
Staatszweckes zu vollenden suchten, ù die im Jahre 1814 dafür angeordneten
Vorarbeiten und das Decret vom 2. Februar 1817 bestätigen Unsern hierüber schon
früher gefaßten festen Entschluß. ù Die gegenwärtige Acte ist, nach
vorgegangener reifer und vielseitiger Berathung, und nach Vernehmung Unseres
Staatsrathes ù das Werk Unseres ebenso freyen als festen Willens. ù Unser Volk
wird in dem Inhalte desselben die kräftigste Gewährleistung Unserer
landesväterlichen Gesinnungen finden. Freyheit der
Gewissen, und gewissenhafte Scheidung und Schützung dessen, was des Staates und
der Kirche ist. Freyheit der
Meinungen, mit gesetzlichen Beschränkungen gegen den Mißbrauch. Gleiches Recht der
Eingebornen zu allen Graden des Staatsdienstes und zu allen Bezeichnungen des
Verdienstes. Gleiche Berufung
zur Pflicht und zur Ehre der Waffen. Gleichheit der
Gesetze und vor dem Gesetze. Unpartheylichkeit
und Unaufhaltbarkeit der Rechtspflege. Gleichheit der
Belegung und der Pflichtigkeit ihrer Leistung. Ordnung durch alle
Theile des Staats-Haushaltes, rechtlicher Schutz des Staats-Credits, und
gesicherte Verwendung der dafür bestimmten Mittel. Wiederbelebung der
Gemeindekörper durch die Wiedergabe der Verwaltuno der ihr Wohl zunächst
berührenden Angelegenheiten. Eine Standschaft ù
hervorgehend aus allen Klassen der im Staate ansässigen Staatsbürger, ù mit den
Rechten des Beyrathes, der Zustimmung, der Willigung, der Wünsche und der Beschwerdeführung
wegen verletzter verfassungsmäßiger Rechte, ù berufen, um in öffentlichen
Versammlungen die Weisheit der Berathung zu verstärken ohne die Kraft der
Regierung zu schwächen. Endlich eine
Gewähr der Verfassung, sichernd gegen willkührlichen Wechsel, aber nicht
hindernd das Fortschreiten zum Bessern nach geprüften Erfahrungen. Baiern! ù Dies
sind die Grundzüge der aus Unserm freyen Entschlusse euch gegebenen Verfassung,
ù sehet darin die Grundsätze eines Königs, welcher das Glück seines Herzens und
den Ruhm seines Thrones nur von dem Glücke des Vaterlandes und von der Liebe
seines Volkes empfangen will! ù Wir erklären
hiernach folgende Bestimmungen als Verfassung des Königreiches Baiern: Titel
I Allgemeine
Bestimmungen § 1 - Das
Königreich Baiern in der Gesammt-Vereinigung aller ältern und neuern
Gebietstheile ist ein souverainer monarchischer Staat nach den Bestimmungen der
gegenwärtigen Verfassungs-Urkunde. § 2 - Für das
ganze Königreich besteht eine allgemeine in zwey Kammern abgetheilte Stände-Versammlung. Titel
II Von
dem Könige und der Thronfolge, dann der Reichs-Verwesung § 1 - (1) Der
König ist das Oberhaupt des Staats, vereiniget in sich alle Rechte der
Staatsgewalt, und übt sie unter den von Ihm gegebenen in der gegenwärtigen
Verfassungs-Urkunde festgesetzten Bestimmungen aus. (2) Seine Person
ist heilig und unverletzlich. § 2 - Die Krone
ist erblich in dem Mannsstamme des Königlichen Hauses nach dem Rechte der
Erstgeburt und der agnatisch-linealischen Erbfolge. § 3 - Zur
Successions-Fähigkeit wird eine rechtmäßige Geburt aus einer ebenbürtigen ù mit
Bewilligung des Königs geschlossenen Ehe erfordert. § 4 - Der
Mannsstamm hat vor den weiblichen Nachkommen den Vorzug, und die Prinzessinnen
sind von der Regierungs-Folge in so lange ausgeschlossen, als in dem
Königlichen Hause noch ein successionsfähiger männlicher Sproße oder ein durch
Erbverbrüderung zur Thronfolge berechtigter Prinz vorhanden ist. § 5 - (1) Nach
gänzlicher Erlöschung des Mannsstammes und in Ermanglung einer mit einem andern
fürstlichen Hause aus dem deutschen Bunde für diesen Fall geschlossenen
Erbverbrüderung geht die Thronfolge auf die weibliche Nachkommenschaft nach
eben der Erbfolge-Ordnung, die für den Mannsstamm festgesetzt ist, über, so daß
die zur Zeit des Ablebens des letzt regierenden Königs lebenden Baierischen
Prinzessinnen oder Abkömmlinge von denselben, ohne Unterschied des Geschlechtes
eben so, als wären sie Prinzen des ursprünglichen Mannsstammes des Baierischen
Hauses, nach dem Erstgeburts-Rechte und der Lineal-Erbfolge-Ordnung zur
Thronfolge berufen werden. (2) Wenn in dem
regierenden neuen Königlichen Hause wieder Abkömmlinge des ersten Grades von
beyderley Geschlecht geboren werden, tritt alsdann der Vorzug des männlichen
Geschlechts vor dem weiblichen wieder ein. § 6 - (1) Sollte
die Baierische Krone nach Erlöschung des Mannsstamms an den Regenten einer
größern Monarchie gelangen, welcher seine Residenz im Königreiche Baiern nicht
nehmen könnte oder würde, so soll dieselbe an den zweytgebornen Prinzen dieses
Hauses übergehen, und in dessen Linie sodann dieselbe Erbfolge eintreten, wie
sie oben vorgezeichnet ist. (2) Kömmt aber die
Krone an die Gemahlin eines auswärtigen größern Monarchen, so wird sie zwar
Königin, sie muß jedoch einen Vice-König, der seine Residenz in der Hauptstadt
des Königreichs zu nehmen hat, ernennen, und die Krone geht nach ihrem Ableben
an ihren zweytgebornen Prinzen über. § 7 - Die
Volljährigkeit der Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses tritt mit
dem zurückgelegten Achtzehnten Jahre ein. § 8 - Die übrigen
Verhältnisse der Mitglieder des Königlichen Hauses richten sich nach den
Bestimmungen des pragmatischen Familien-Gesetzes. § 9 - Die
Reichs-Verwesung tritt ein: a) während der
Minderjährigkeit des Monarchen; b) wenn derselbe
an der Ausübung der Regierung auf längere Zeit verhindert ist, und für die
Verwaltung des Reichs nicht selbst Vorsorge getroffen hat, oder treffen kann. § 10 - (1) Dem
Monarchen steht es frey, unter den volljährigen Prinzen des Hauses den
Reichs-Verweser für die Zeit der Minderjährigkeit seines Nachfolgers zu wählen. (2) In Ermanglung
einer solchen Bestimmung gebührt die Reichs-Verwesung demjenigen volljährigen
Agnaten, welcher nach der festgesetzten Erbfolge-Ordnung der Nächste ist. (3) Wäre der
Prinz, welchem dieselbe nach obiger Bestimmung gebührt, selbst noch
minderjährig, oder durch ein sonstiges Hinderniß abgehalten, die Regentschaft
zu übernehmen, so fällt sie auf denjenigen Agnaten, welcher nach ihm der
Nächste ist. § 11 - Sollte der
Monarch durch irgend eine Ursache, die in ihrer Wirkung länger als ein Jahr
dauert, an der Ausübung der Regierung gehindert werden, und für diesen Fall
nicht selbst Vorsehung getroffen haben, oder treffen können, so findet mit
Zustimmung der Stände, welchen die Verhinderungs-Ursachen anzuzeigen sind,
gleichfalls die für den Fall der Minderjährigkeit bestimmte gesetzliche
Regentschaft statt. § 12 - Wenn der
König nach § 10 den Reichs-Verweser für den Fall der Minderjährigkeit ernennt,
so wird die darüber ausgefertigte Urkunde durch denjenigen Minister, welchem
die Verrichtungen eines Ministers des Königlichen Hauses übertragen sind, im
Haus-Archiv bis zum Ableben des Monarchen aufbewahrt und dann dem
Gesammt-Staats-Ministerium zur Einsicht und öffentlichen Bekanntmachung vorgelegt.
Dem Reichs-Verweser wird die über seine Ernennung ausgefertigte Urkunde
zugleich mitgetheilt. § 13 - (1) Wenn
kein zur Reichs-Verwesung geeigneter Agnat vorhanden ist, der Monarch jedoch
eine verwittibte Königin hinterläßt, so gebührt dieser die Reichs-Verwesung. (2) In Ermanglung
derselben aber übernimmt sie jener Kron-Beamte, welchen der letzte Monarch
hiezu ernennt, und wenn von demselben keine solche Bestimmung getroffen ist, so
geht sie an den ersten Kron-Beamten über, welchem kein gesetzliches Hinderniß
entgegen steht. § 14 - In jedem
Falle gebührt einer verwittibten Königin unter der Aufsicht des
Reichs-Verwesers die Erziehung ihrer Kinder nach den in dem Familien-Gesetze
hierüber enthaltenen nähern Bestimmungen. § 15 - (1) In den
im § 9 a und b bezeichneten Fällen wird die Regierung im Nahmen des
minderjährigen oder in der Ausübung der Regierung gehinderten Monarchen
geführt. (2) Alle
Ausfertigungen werden in seinem Nahmen und unter dem gewöhnlichen Königlichen
Siegel erlassen; alle Münzen mit seinem Brustbilde, Wappen und Titel geprägt. (3) Der Regent
unterzeichnet als: "des Königreichs Baiern Verweser". § 16 - Der Prinz
des Hauses, die verwittibte Königin oder derjenige Kron-Beamte, welchem die
Reichs-Verwesung übertragen wird, muß gleich nach dem Antritte der Regentschaft
die Stände versammeln und in ihrer Mitte und in Gegenwart der Staats-Minister,
so wie der Mitglieder des Staats-Rathes nachstehenden Eid ablegen: "Ich
schwöre, den Staat in Gemäßheit der Verfassung und der Gesetze des Reichs zu
verwalten, die Integrität des Königreiches und die Rechte der Krone zu erhalten
und dem Könige die Gewalt, deren Ausübung mir anvertraut ist, getreu zu
übergeben, so wahr mir Gott helfe und sein heiliges Evangelium;" worüber
eine besondere Urkunde aufgenommen wird. § 17 - Der Regent
übt während seiner Reichs-Verwesung alle Regierungs-Rechte aus, welche durch
die Verfassung nicht besonders ausgenommen sind. § 18 - Alle
erledigten Aemter, mit Ausnahme der Justiz-Stellen, können während der
Reichs-Verwesung nur provisorisch besetzt werden. Der Reichs-Verweser kann
weder Krongüter veräußern oder heimgefallene Lehen verleihen noch neue Aemter
einführen. § 19 - Das
Gesammt-Staats-Ministerium bildet den Regentschafts-Rath, und der
Reichs-Verweser ist verbunden, in allen wichtigen Angelegenheiten das Gutachten
desselben zu erholen. § 20 - Der
Reichs-Verweser hat während der Dauer der Regentschaft seine Wohnung in der
Königlichen Residenz, und wird auf Kosten des Staates unterhalten; auch werden
ihm nebstdem zu seiner eigenen Verfügung jährlich zweymal hundert tausend
Gulden in monatlichen Raten auf die Staats-Kasse angewiesen. § 21 - Die
Regentschaft dauert in den in § 9 bemerkten zwey Fällen ù im ersten bis zur
Großjährigkeit des Königs, und im zweyten, bis das eingetretene Hinderniß
aufhört. § 22 - Nachdem die
Regentschaft beendiget ist und der in die Regierung eintretende neue König den
feyerlichen Eid (Tit. X § 1) abgelegt hat, werden alle Verhandlungen der
Regentschaft geschlossen, und der Regierungs-Antritt des Königs wird in der
Residenz und im ganzen Königreiche feyerlich kund gemacht. Titel
III Von
dem Staatsgute § 1 - (1) Der
ganze Umfang des Königreichs Baiern bildet eine einzige untheilbare unveräußerliche
Gesammt-Masse aus sämmtlichen Bestandtheilen an Landen, Leuten, Herrschaften,
Gütern, Regalien und Renten mit allem Zugehör. (2) Auch alle
neuen Erwerbungen aus Privat-Titeln an unbeweglichen Gütern, sie mögen in der
Haupt- oder Nebenlinie geschehen, wenn der erste Erwerber während seines Lebens
nicht darüber verfügt hat, kommen in den Erbgang des Mannsstammes und werden
als der Gesammt-Masse einverleibt angesehen. § 2 - Zu dem
unveräußerlichen Staatsgute, welches im Falle einer Sonderung des
Staats-Vermögens von der Privat-Verlassenschaft in das Inventar der letztern
nicht gebracht werden darf, gehören: 1. Alle Archive
und Registraturen; 2. Alle
öffentlichen Anstalten und Gebäude mit ihrem Zugehör; 3. Alles Geschütz,
Munition, alle Militaire-Magazine und was zur Landeswehr nöthig ist; 4. Alle Einrichtungen
der Hof-Capellen und Hof-Aemter mit allen Mobilien, welche der Aufsicht der
Hof-Stäbe und Hof-Intendanzen anvertraut und zum Bedarf oder zum Glanze des
Hofes bestimmt sind; 5. Alles, was zur
Einrichtung oder zur Zierde der Residenzen und Lustschlösser dienet; 6. Der Hausschatz
und was von dem Erblasser mit demselben bereits vereiniget worden ist; 7. Alle Sammlungen
für Künste und Wissenschaften, als: Bibliotheken, physicalische, Naturalien-
und Münz-Cabinette, Antiquitäten, Statuen, Sternwarten mit ihren Instrumenten,
Gemählde- und Kupferstich-Sammlungen und sonstige Gegenstände, die zum
öffentlichen Gebrauche oder zur Beförderung der Künste und Wissenschaften
bestimmt sind; 8. Alle
vorhandenen Vorräthe an baarem Gelde und Capitalien in den Staats-Kassen oder
an Naturalien bey den Aemtern, samt allen Ausständen an Staatsgefällen; 9. Alles was aus
Mitteln des Staats erworben wurde. § 3 - (1)
Sämmtliche Bestandtheile des Staatsguts sind, wie bereits in der Pragmatik vom
20. October 1804 bestimmt war, aus welcher die nach den veränderten
Verhältnissen hiernber noch geltenden Bestimmungen in gegenwärtige
Verfassungs-Urkunde übertragen sind, auf ewig unveräußerlich, vorbehaltlich der
unten folgenden Modificationen. (2) Vorzüglich
sollen, ohne Ausnahme, alle Rechte der Souverainetät bey der Primogenitur
ungetheilt und unveräußert erhalten werden. § 4 - (1) Als
Veräußerung des Staatsguts ist anzusehen nicht nur jeder wirkliche Verkauf,
sondern auch eine Schenkung unter den Lebenden oder eine Vergebung durch eine
letzte Willens-Verordnung, Verleihung neuer Lehen oder Beschwerung mit einer
ewigen Last oder Verpfändung oder Hingabe durch einen Vergleich gegen Annahme
einer Summe Geldes. (2) Auch kann
keinem Staatsbürger eine Befreyung von den öffentlichen Lasten bewilliget
werden. § 5 - (1) Die
bisher zu Belohnung vorzüglicher dem Staate geleisteter Dienste verliehenen
Lehen, Staats-Domainen und Renten sind von obigem Verbote ausgenommen. (2) Auch steht dem
Könige die Wiederverleihung heimfallender Lehen jederzeit frey. (3) Zu Belohnung
großer und bestimmter dern Staate geleisteter Dienste können auch andere
Staats-Domainen oder Renten, jedoch mit Zustimmung der Stände, in der
Eigenschaft als Manulehen der Krone verliehen werden. (4) Anwartschaften
auf künftige der Krone heimfallende Güter, Renten und Rechte, können eben so
wenig als auf Aemter oder Würden ertheilt werden. § 6 - Unter dem
Veräußerungs-Verbote sind ferner nicht begriffen: 1. alle
Staatshandlungen des Monarchen, welche innerhalb der Grenzen des Ihm zustehenden
Regierungs-Rechts nach dem Zwecke und zur Wohlfahrt des Staats mit
Auswärtigen oder mit Unterthanen im Lande über Stamm- und Staatsgüter
vorgenommen werden; insbesondere was 2. an einzelnen
Gütern und Gefällen zur Beendigung eines anhängigen Rechtsstreits gegen
Erhaltung oder Erlangung anderer Güter, Renten oder Rechte, oder zur
Grenzberichtigung mit benachbarten Staaten gegen andern angemessenen Ersatz
abgetreten wird; 3. Was gegen
andere Realitäten und Rechte von gleichem Werthe vertauscht wird; 4. Alle einzelnen
Veräußerungen oder Veränderungen, welche bey den Staatsgütern dem Staatszwecke
gemäß und in Folge der bereits erlassenen Vorschriften nach richtigen
Grundsätzen der fortschreitenden Staatswirtschaft, zur Beförderung der
Landes-Cultur oder sonst zur Wohlfahrt des Landes oder zum Besten des
Staats-Aerars und zur Aufhebung einer nachtheiligen Selbstverwaltung für gut
gefunden werden. § 7 - (1) In allen
diesen Fällen (§ 6) dürfen jedoch die Staats-Einkünfte nicht geschmälert,
sondern es soll als Ersatz entweder eine Dominical-Rente, wo möglich in
Getreide, dafür bedungen oder der Kaufschilling zu neuen Erwerbunge oder zur
zeitlichen Aushülfe des Schuldentilgungs-Fonds oder zu andern das Wohl des
Landes bezielenden Absichten verwendet werden. (2) Mit dem unter
dem Staatsgute begriffenen beweglichen Vermögen (§ 2) kann der Monarch nach
Zeit und Umständen zweckmäßige Veränderungen und Verbesserungen vornehmen. Titel
IV Von
allgemeinen Rechten und Pflichten § 1 - Zum vollen
Genusse aller bürgerlichen, öffentlichen und Privatrechte in Baiern wird das
Indigenat erfordert, welches entweder durch die Geburt oder durch die
Naturalisirung nach den nähern Bestimmungen des Edictes über das Indigenat
erworben wird. § 2 - Das
Baierische Staats-Bürgerrecht wird durch das Indigenat bedingt, und geht mit
demselben verloren. § 3 - Nebst diesem
wird zu dessen Ausübung noch erfordert: a) die gesetzliche
Volljährigkeit; b) die
Ansässigkeit im Königreiche, entweder durch den Besitz besteuerter Gründe,
Renten oder Rechte, oder durch die Ausübung besteuerter Gewerbe, oder durch den
Eintritt in ein öffentliches Amt. § 4 - Kron-Aemter,
oberste Hof-Aemter, Civil-Staatsdienste und oberste Militaire-Stellen, wie auch
Kirchen-Aemter oder Pfründen können nur Eingebornen oder verfassungsmäßig
Naturalisirten ertheilt werden. § 5 - Jeder Baier
ohne Unterschied kann zu allen Civil-, Militaire- und Kirchen-Aemtern oder
Pfründen gelangen. § 6 - In dem
Umfange des Reichs kann keine Leibeigenschaft bestehen, nach den nähern
Bestimmungen des Edictes vom 3. August 1808. § 7 - Alle
ungemessenen Frohnen sollen in Gemessene umgeändert werden und auch diese
ablösbar seyn. § 8 - (1) Der
Staat gewährt jedem Einwohner Sicherheit seiner Person, seines Eigenthums und
seiner Rechte. (2) Niemand darf
seinem ordentlichen Richter entzogen werden. (3) Niemand darf
verfolgt oder verhaftet werden, als in den durch die Gesetze bestimmten Fällen,
und in der gesetzlichen Form. (4) Niemand darf
gezwungen werden, sein Privat-Eigenthum, selbst für öffentliche Zwecke
abzutreten, als nach einer förmlichen Entscheidung des versammelten
Staatsraths, und nach vorgängiger Entschädigung, wie solches in der Verordnung
vom 14. August 1815 bestimmt ist. § 9 - (1) Jedem
Einwohner des Reichs wird vollkommene Gewissens-Freyheit gesichert; die
einfache Haus-Andacht darf daher Niemanden, zu welcher Religion er sich
bekennen mag, untersagt werden. (2) Die in dem
Königreiche bestehenden drey christlichen Kirchen-Gesellschaften genießen
gleiche bürgerliche und politische Rechte. (3) Die nicht
christlichen Glaubens-Genossen haben zwar vollkommene Gewissens-Freyheit, sie
erhalten aber an den Staatsbürgerlichen Rechten nur in dem Maaße einen Antheil,
wie ihnen derselbe in den organischen Edicten über ihre Aufnahme in die
Staats-Gesellschaft zugesichert ist. (4) Allen
Religionstheilen, ohne Ausnahme, ist das Eigenthum der Stiftungen und der Genuß
ihrer Renten nach den ursprünglichen Stiftungs-Urkunden und dem rechtmäßigen
Besitze, sie seyen für den Cultus, den Unterricht oder die Wohlthätigkeit
bestimmt, vollständig gesichert. (5) Die geistliche
Gewalt darf in ihrem eigentlichen Wirkungskreise nie gehemmt werden, und die
weltliche Regierung darf in rein geistlichen Gegenständen der Religions-Lehre
und des Gewissens sich nicht einmischen, als in soweit das Obersthoheitliche
Schutz- und Aufsichts-Recht eintritt, wonach keine Verordnungen und Gesetze der
Kirchen-Gewalt ohne vorgängige Einsicht und das Placet des Königs verkündet und
vollzogen werden dürfen. (6) Die Kirchen
und Geistlichen sind in ihren bürgerlichen Handlungen und Beziehungen ù wie
auch in Ansehung des ihnen zustehenden Vermögens den Gesetzen des Staates und
den weltlichen Gerichten untergeben; auch können sie von öffentlichen
Staatslasten keine Befreyung ansprechen. (7) Die übrigen
nähern Bestimmungen über die äußern Rechts-Verhältnisse der Bewohner des
Königreichs, in Beziehung auf Religion und kirchliche Gesellschaften sind in
dem der gegenwärtigen Verfassungs-Urkunde beygefügten besondern Edicte
enthalten. § 10 - Das gesarnmte
Stiftungsvermögen nach den drey Zwecken des Cultus, des Unterrichts und der
Wohlthätigkeit, wird gleichfalls unter den besondern Schutz des Staates
gestellt, es darf unter keinem Vorwande zu dem Finanz-Vermögen eingezogen und
in der Substanz für andere, als die drey genannten Zwecke, ohne Zustimmung der
Betheiligten, und bey allgemeinen Stiftungen ohne Zustimmung der Stände des
Reiches veräußert oder verwendet werden. § 11 - Die
Freyheit der Presse und des Buchhandels ist nach den Bestimmungen des hierüber
erlassenen besondern Edictes gesichert. § 12 - Alle Baiern
haben gleiche Pflichtigkeit zu dem Kriegsdienste und zur Landwehr nach den
dießfalls bestehenden Gesetzen. § 13 - Die
Theilnahme an den Staats-Lasten ist für alle Einwohner des Reichs allgemein,
ohne Ausnahme irgend eines Standes, und ohne Rücksicht auf vormals bestandene
besondere Befreyungen. § 14 - (1) Es ist
den Baiern gestattet, in einen andern Bundesstaat, welcher erweißlich sie zu
Unterthanen annehmen will, auszuwandern, auch in Civil- und Militaire-Dienste
desselben zu treten, wenn sie den gesetzlichen Verbindlichkeiten gegen ihr
bisheriges Vaterland Genüge geleistet haben. (2) Sie dürfen,
solange sie im Unterthans-Verbande bleiben, ohne ausdrückliche Erlaubniß des
Monarchen von einer auswärtigen Macht weder Gehalte noch Ehrenzeichen annehmen. Titel
V Von
Besondern Rechten und Vorzügen § 1 - (1) Die
Kron-Aemter werden als oberste Würden des Reichs, entweder auf die Lebenszeit
der Würdeträger oder auf deren männliche Erben, nach dem Rechte der Erstgeburt
und der agnatisch-linealischen Erbfolge als Thron-Lehen verliehen. (2) Die
Kron-Beamten sind durch ihre Reichswürden Mitglieder der ersten Kammer in der
Stände-Versammlung. § 2 - Den vormals
Reichsständischen Fürsten und Grafen werden alle jene Vorzüge und Rechte
zugesichert, welche in dem ihre Verhältnisse bestimmenden besondern Edicte
ausgesprochen sind. § 3 - Die der
Baierischen Hoheit untergebenen ehemaligen unmittelbaren Reichsadelichen
genießen diejenigen Rechte, welche in Gemäßheit der Königlichen Declaration
durch die constitutionellen Edicte ihnen zugesichert werden. § 4 - (1) Der
gesammte übrige Adel des Reichs behält, wie jeder Guts-Eigenthümer, seine
gutsherrlichen Rechte nach den gesetzlichen Bestimmungen. (2) Uebrigens hat
derselbe folgende Vorzüge zu genießen: 1. ausschließend
das Recht, eine gutsherrliche Gerichtsbarkeit ausüben zu können; 2.
FamiIien-Fidei-Commisse auf Grundvermögen zu errichten; 3. Einen von dem
landgerichtlichen befreyten Gerichtsstand in bürgerlichen und strafrechtlichen
Fällen; 4. die Rechte der
Siegelmäßigkeit unter den Beschränkungen der Gesetze über das
Hypothekenwesen; endlich 5. bey der
Militaire-Conscription die Auszeichnung, daß die Söhne der Adelichen als
Cadetten eintreten. § 5 - (1) Einige
dieser Vorzüge theilen für ihre Personen (die geistlichen und) die wirklichen
Collegial-Räthe, und die mit diesen in gleicher Categorie stehenden höhern
Beamten. (2) (Die
Geistlichen genießen denselben befreyten Gerichtsstand in bürgerlichen und
strafrechtlichen Fällen;) ù die Collegial-Räthe und höhern Beamten (außer
diesem) auch die Rechte der Siegelmäßigkeit (und die obige Auszeichnung bey der
Militaire-Conscription). § 6 - Die
Dienstes-Verhältnisse und Pensions-Ansprüche der Staatsdiener und öffentlichen
Beamten richten sich nach den Bestimmungen der DienstesPragmatik. Titel
VI Von
der Stände-Versammlung § 1 - Die zwey
Kammern der allgemeinen Versammlung der Stände des Reichs sind: a) die der
Reichs-Räthe, b) die der
Abgeordneten. § 2 - Die Kammer
der Reichs-Räthe ist zusammengesetzt aus 1. den
volljährigen Prinzen des Königlichen Hauses; 2. den
Kron-Beamten des Reichs; 3. den beyden
Erzbischöfen; 4. den Häuptern
der ehemals Reichsständischen ù fürstlichen und gräflichen Familien, als
erblichen Reichs-Räthen, so lange sie im Besitze ihrer vormaligen
Reichsständischen im Königreiche gelegenen Herrschaften bleiben; 5. einem vom
Könige ernannten Bischofe und dem jedesmaligen Präsidenten des protestantischen
General-Consistoriums; 6. aus denjenigen
Personen, welche der König entweder wegen ausgezeichneter dem Staate
geleisteter Dienste, oder wegen ihrer Geburt, oder ihres Vermögens zu
Mitgliedern dieser Kammer entweder erblich oder lebenslänglich besonders
ernennt. § 3 - (1) Das
Recht der Vererbung wird der König nur adelichen Gutsbesitzern verleihen,
welche im Königreiche das volle Staatsbürgerrecht, und ein mit dem Lehen- oder
Fidei-Commissarischen Verbande belegtes Grund-Vermögen besitzen, von welchem
sie an Grund- und Dominical-Steuern in simplo Dreyhundert Gulden entrichten,
und wobey eine agnatisch-linealische Erbfolge nach dem Rechte der Erstgeburt
eingeführt ist. (2) Die Würde
eines erblichen Reichs-Raths geht jedesmal mit den Gütern, worauf das
Fidei-Commiß gegründet ist, nur auf den nach dieser Erbfolge eintretenden
Besitzer über. § 4 - Die Zahl der
lebenslänglichen Reichs-Räthe kann den dritten Theil der erblichen nicht
übersteigen. § 5 - Die
Reichs-Räthe haben Zutritt in die erste Kammer nach erreichter Volljährigkeit,
eine entscheidende Stimme aber kömmt den Prinzen des Königlichen Hauses erst
mit dem Einundzwanzigsten, den übrigen Reichs-Räthen mit dem Fünfundzwanzigsten
Lebensjahre zu. § 6 - Die Kammer
der Reichs-Räthe kann nur dann eröffnet werden, wenn wenigstens die Hälfte der
sämmtlichen Mitglieder anwesend ist. § 7 - Die zweyte
Kammer der Stände-Versammlung bildet sich a) aus den
Grundbesitzern, welche eine gutsherrliche Gerichtsbarkeit ausüben und nicht
Sitz und Stimme in der ersten Kammer haben; b) aus
Abgeordneten der Universitäten; c) aus Geistlichen
der katholischen und protestantischen Kirche; d) aus
Abgeordneten der Städte und Märkte; e) aus den nicht
zu a) gehörigen Landeigenthümern. § 8 - Die Zahl der
Mitglieder richtet sich im Ganzen nach der Zahl der Familien im Königreiche, in
dem Verhältnisse, daß auf 7000 Familien ein Abgeordneter gerechnet wird. § 9 - Von der auf
solche Art bestimmten Zahl stellt: a) die Klasse der
adelichen Gutsbesitzer ein Achttheil; b) die Klasse der
Geistlichen der katholischen und protestantischen Kirche ein Achttheil; c) die Klasse der
Städte und Märkte ein Viertheil, ù und d) die Klasse der
übrigen Landeigenthümer, welche keine gutsherrliche Gerichtsbarkeit ausüben,
zwey Viertheile der Abgeordneten; e) jede der drey
Universitäten ein Mitglied. § 10 - Die jede
einzelne Klasse treffende Zahl von Abgeordneten wird nach den Bestimmungen des
über die Stände-Versammlung hier beygefügten besondern Edictes auf die
einzelnen Regierungs-Bezirke vertheilt. § 11 - Jede Klasse
wählt in jedem Regierungs-Bezirke die sie daselbst treffende Zahl von
Abgeordneten nach der in dem angeführten Edicte vorgeschriebenen Wahlordnung
für die sechsjährige Dauer der Versammlung. Die während derselben erledigten
Stellen werden aus denjenigen ersetzt, welche den Gewählten in der Stimmenzahl
zunächst kommen. § 12 - (1) Jedes
Mitglied der Kammer der Abgeordneten muß ohne Rücksicht auf Standes- oder
Dienst-Verhältnisse ein selbstständiger Staatsbürger seyn, welcher das
dreißigste Lebensjahr zurückgelegt hat und den freyen Genuß eines solchen im
betreffenden Bezirke oder Orte gelegenen Vermögens besitzt, welches seinen
unabhängigen Unterhalt sichert, und durch die im Edicte festgesetzte Größe der
jährlichen Versteuerung bestimmt wird. (2) Er muß sich zu
einer der drey christlichen Religionen erkennen und darf niemals einer
Special-Untersuchung wegen Verbrechen oder Vergehen unterlegen haben, wovon er
nicht gänzlich freygesprochen worden ist. § 13 - Alle sechs
Jahre wird eine neue Wahl der Abgeordneten vorgenommen und sonst nur in dem
Falle, wenn die Kammer von dem Könige aufgelöset wird. Die austretenden
Mitglieder sind wieder wählbar. § 14 - (1) Der
Austritt eines bereits ernannten Mitgliedes erfolgt während der Dauer der
Versammlung 1. wenn dasselbe
die Realität, das Gericht Gewerbe oder die geistliche Pfründe, welche seine
Wahl für den betreffenden Regierungs-Bezirk oder die Klasse besonders
begründeten, aus was immer für Veranlassungen zu besitzen aufhört, ohne einen
gleichen Ersatz in demselben Bezirke, Orte oder in derselben Klasse zu
erwerben; 2. wenn das
Mitglied unter der Zeit eine der oben (§ 12) zur passiven Wahlfähigkeit
wesentlich erforderlichen Eigenschaften verliert. (2) In diesen
Fällen hat die Kammer der Abgeordneten auf die geschehene Anzeige und nach
Vernehmung des Betheiligten zu entscheiden. § 15 - Zur
gültigen Constituirung der Kammer der Abgeordneten wird die Anwesenheit von
wenigstens zwey Drittheilen der gewählten Mitglieder erfordert. § 16 - Die Kammer
der Reichs-Räthe wird gleichzeitig mit jener der Abgeordneten zusammenberufen,
eröffnet und geschlossen. § 17 - Kein
Mitglied der ersten oder zweyten Kammer darf sich in der Sitzung durch einen
Bevollmächtigten vertreten lassen. § 18 - (1) Die
Anträge über die Staats-Auflagen geschehen zuerst in der Kammer der
Abgeordneten und werden dann durch diese an die Kammer der Reichs-Räthe
gebracht. (2) Alle übrigen
Gegenstände können nach der Bestimmung des Königs der einen oder der andern
Kammer zuerst vorgelegt werden. § 19 - Kein
Gegenstand des den Ständen des Reichs angewiesenen gemeinschaftlichen
Wirkungskreises kann von einer Kammer allein in Berathung gezogen werden, und
die Wirkung einer gültigen Einwilligung der Stände erlangen. Titel
VII Von
dem Wirkungskreise der Stände-Versammlung § 1 - Die beyden
Kammern können nur über jene Gegenstände in Berathung treten, die in ihren
Wirkungskreis gehören, welcher in den §§ 2 bis 19 näher bezeichnet ist. § 2 - Ohne den
Beyrath und die Zustimmung der Stände des Königreichs kann kein allgemeines
neues Gesetz, welches die Freyheit der Person oder das Eigenthum des
Staats-Angehörigen betrifft, erlassen, noch ein schon bestehendes abgeändert,
authentisch erläutert oder aufgehoben werden. § 3 - Der König
erholt die Zustimmung der Stände zur Erhebung aller directen Steuern, so wie
zur Erhebung neuer indirecten Auflagen, oder zu der Erhöhung oder Veränderung
der bestehenden. § 4 - Den Ständen
wird daher nach ihrer Eröffnung die genaue Uebersicht des Staatsbedürfnisses,
so wie der gesammten Staats-Einnahmen (Budget) vorgelegt werden, welche
dieselbe durch einen Ausschuß prüfen und sodann über die zu erhebenden Steuern
in Berathung treten. § 5 - (1) Die zur
Deckung der ordentlichen beständigen und bestimmt vorherzusehenden
Staats-Ausgaben mit Einschluß des notwendigen Reserve-Fonds erforderlichen
directen Steuern werden jedesmal auf sechs Jahre bewilligt. (2) Um jedoch jede
Stockung in der Staatshaushaltung zu vermeiden, werden in dem Etats-Jahre, in
welchem die erste Stände-Versarumlung einberufen wird, die in dem vorigen
Etats-Jahre erhobenen Staats-Auflagen fortentrichtet. § 6 - Ein Jahr vor
dem Ablaufe des Termins, für welchen die fixen Ausgaben festgesetzt sind, somit
nach Verlauf von sechs Jahren, läßt der König für die sechs Jahre,
welche diesem Termine folgen, den Ständen ein neues Budget vorlegen. § 7 - In dem
Falle, wo der König durch außerordentliche äußere Verhältnisse verhindert ist,
in diesem letzten Jahre der ordentlichen Steuer-Bewilligung die Stände zu
versammeln, kömmt Ihm die Befugniß einer Forterhebung der letztbewilligten
Steuer auf ein halbes Jahr zu. § 8 - In Fällen
eines außerordentlichen und unvorhergesehenen Bedürfnisses und der
Unzulänglichkeit der bestehenden Staats-Einkünfte zu dessen Deckung wird dieses
den Ständen zur Bewilligung der erforderlichen außerordentlichen Auflagen vorgelegt
werden. § 9 - Die Stände
können die Bewilligung der Steuern mit keiner Bedingung verbinden. § 10 - Den Ständen
des Reichs wird bey einer jeden Versammlung eine genaue Nachweisung über die
Verwendung der Staats-Einnahmen vorgelegt werden. § 11 - (1) Die
gesammte Staatsschuld wird unter die Gewährleistung der Stände gestellt. (2) Zu jeder neuen
Staatsschuld, wodurch die zur Zeit bestehende Schulden-Masse im
Capitals-Betrage oder der jährlichen Verzinsung vergrößert wird, ist die
Zustimmung der Stände des Reichs erforderlich. § 12 - Eine solche
Vermehrung der Staatsschulden hat nur für jene dringenden und außerordentlichen
Staatsbedürfnisse statt, welche weder durch die ordentlichen noch durch
außerordentliche Beyträge der Unterthanen, ohne deren zu große Belastung
bestritten werden können, und die zum wahren Nutzen des Landes gereichen. § 13 - Den Ständen
wird der Schuldentilgungs-Plan vorgelegt, und ohne ihre Zustimmung kann an dem
von ihnen angenommenen Plane keine Abänderung getroffen, noch ein zur Schuldentilgung
bestimmtes Gefäll zu irgend einem andern Zwecke verwendet werden. § 14 - Jede der
beyden Kammern hat aus ihrer Mitte einen Commissaire zu ernennen, welche
gemeinschaftlich bey der Schuldentilgungs-Commission von allen ihren
Verhandlungen genaue Kenntniß zu nehmen und auf die Einhaltung der
festgesetzten Normen zu wachen haben. § 15 - (1) In
außerordentlichen Fällen, wo drohende äußere Gefahren die Aufnahme von
Capitalien dringend erfordern, und die Einberufung der Stände durch außere
Verhältnisse unmöglich gemacht wird, soll diesen Commissaires die Befugniß
zustehen, zu diesen Anleihen im Nahmen der Stände vorläufig ihre Zustimmung zu
ertheilen. (2) Sobald die
Einberufung der Stände möglich wird, ist ihnen die ganze Verhandlung über diese
Capitals-Aufnahme vorzulegen, um in das Staatsschulden-Verzeichniß eingetragen
zu werden. § 16 - Den Ständen
wird bey jeder Versammlung die genaue Nachweisung des Standes der
Staatsschulden-Tilgungs-Kasse vorgelegt werden. § 17 - Die Stände
haben das Recht der Zustimmung zur Veräußerung oder Verwendung allgemeiner
Stiftungen in ihrer Substanz für andere als ihre ursprünglichen Zwecke. § 18 - Eben so ist
ihre Zustimmung zur Verleihung von Staats-Domainen oder Staats-Renten zu
Belohnung großer und bestimmter dem Staate geleisteter Dienste erforderlich. § 19 - Die Stände
haben das Recht, in Beziehung auf alle zu ihrem Wirkungskreise gehörigen
Gegenstände dem Könige ihre gemeinsamen Wünsche und Anträge in der geeigneten
Form vorzuhringen. § 20 - (1) Jeder
einzelne Abgeorduete hat das Recht, in dieser Beziehung seine Wünsche und
Anträge in seiner Kammer vorzubringen, welche darüber: ob dieselben in nähere
Ueberlegung gezogen werden sollen, durch Mehrheit der Stimmen erkennt, und sie
im bejahenden Falle an den betreffenden Ausschuß zur Prüfung und Würdigung
bringt. (2) Die von einer
Kammer über solche Anträge gefaßten Beschlüsse müssen der andern Kammer
mitgetheilt und können erst nach deren erfolgter Beystimmung dem Könige
vorgelegt werden. § 21 - (1) Jeder
einzelne Staatsbürger, so wie jede Gemeinde kann Beschwerden über Verletzung
der constitutionellen Rechte an die Stände-Versammlung, und zwar an jede der
beyden Kammern bringen, welche sie durch den hiernber bestehenden Ausschuß
prüft, und findet dieser sie dazu geeignet, in Berathung nimmt. (2) Erkennt die
Kammer durch Stimmenmehrheit die Beschwerde für gegründet, so theilt sie ihren
diesfalls an den König zu erstattenden Antrag der andern Kammer mit, welcher,
wenn diese demselben beystimmt, in einer gemeinsamen Vorstellung dem Könige
übergeben wird. § 22 - (1) Der
König wird wenigstens alle drey Jahre die Stände zusammenberufen. (2) Der König
eröffnet und schließt die Versammlung entweder in eigener Person oder durch
einen besonders hiezu Bevollmächtigten. (3) Die Sitzungen
einer solchen Versammlung dürfen in der Regel nicht länger als zwey Monate
dauern, und die Stände sind verbunden, in ihren Sitzungen die von dem Könige an
sie gebrachten Gegenstände vor allen übrigen in Berathung zu nehmen. § 23 - (1) Dem
Könige steht jederzeit das Recht zu, die Sitzungen der Stände zu verlängern,
sie zu vertagen oder die ganze Versammlung aufzulösen. (2) In dem letzten
Falle muß wenigstens binnen drey Monaten eine neue Wahl der Kammer der
Abgeordneten vorgenommen werden. § 24 - Die Staats-Minister
können den Sitzungen der beyden Kammern beywohnen, wenn sie auch nicht
Mitglieder derselben sind. § 25 - Jedes
Mitglied der Stände-Versammlung hat folgenden Eid zu leisten: "Ich schwöre
Treue dem Könige, Gehorsam dem Gesetze, Beobachtung und Aufrechthaltung der
Staats-Verfassung und in der Stände-Versammlung nur des ganzen Landes
allgemeines Wohl und Beste ohne Rücksicht auf besondere Stände oder Klassen
nach meiner innern Ueberzeugung zu berathen; ù So wahr mir Gott helfe und sein
heiliges Evangelium." § 26 - Kein
Mitglied der Stände-Versammlung kann während der Dauer der Sitzungen ohne
Einwilligung der betreffenden Kammer zu Verhaft gebracht werden, den Fall der
Ergreifung auf frischer That bey begangenem Verbrechen ausgenommen. § 27 - Kein Mitglied
der Stände-Versammlung kann für die Stimme, welche es in seiner Kammer geführt
hat, anders als in Folge der Geschäfts-Ordnung durch die Versammlung selbst zur
Rede gestellt werden. § 28 - Ein
Gegenstand, über welchen die beyden Kammern sich nicht vereinigen, kann in
derselben Sitzung nicht wieder zur Berathung gebracht werden. § 29 - Die
Königliche Entschliehung auf die Anträge der Reichsstände erfolgt nicht
einzeln, sondern auf alle verhandelten Gegenstände zugleich bey dem Schlusse
der Versammlung. § 30 - Der König
allein sanctionirt die Gesetze und erläßt dieselben mit seiner Unterschrift und
Anführung der Vernehmung des Staats-Raths und des erfolgten Beyraths und der
Zustimmung der Lieben und Getreuen, der Stände des Reichs. § 31 - Wenn die
Versammlung der Reichsstände vertagt, förmlich geschlossen oder aufgelöst
worden ist, können die Kammern nicht mehr gültig berathschlagen, und jede
fernere Verhandlung ist ungesetzlich. Titel
VIII Von
der Rechtspflege § 1 - Die
Gerichtsbarkeit geht vom Könige aus. Sie wird unter Seiner Oberaufsicht durch
eine geeignete Zahl von Aemtern und Obergerichten in einer gesetzlich
bestimmten Instanzen-Ordnung verwaltet. § 2 - Alle
Gerichtsstellen sind verbunden, ihren Urtheilen Entscheidungsgründe beyzufügen. § 3 - Die Gerichte
sind innerhalb der Grenzen ihrer amtlichen Befugniß unabhängig, und die Richter
können nur durch einen Rechtsspruch von ihren Stellen mit Verlust des damit
verbundenen Gehaltes entlassen oder derselben entsetzt werden. § 4 - Der König
kann in strafrechtlichen Sachen Gnade ertheilen, die Strafe mildern oder
erlassen; ù aber in keinem Falle irgend eine anhängige Streitsache oder
angefangene Untersuchung hemmen. § 5 - Der
Königliche Fiscus wird in allen streitigen Privatrechts-Verhältnissen bey den Königlichen
Gerichtshöfen Recht nehmen. § 6 - Die
Vermögens-Confiscation hat in keinem Falle (den der Desertion ausgenommen)
statt. § 7 - Es soll für
das ganze Königreich ein und dasselbe bürgerliche und Straf-Gesetzbuch
bestehen. Titel
IX Von
der Militaire-Verfassung § 1 - (1) Jeder
Baier ist verpflichtet, zur Vertheidigung seines Vaterlandes, nach den hierüber
bestehenden Gesetzen mitzuwirken. (2) Von der
Pflicht, die Waffen zu tragen, ist der geistliche Stand ausgenommen. § 2 - Der Staat
hat zu seiner Vertheidigung eine stehende Armee, welche durch die allgemeine
Militaire-Conscription ergänzt und auch im Frieden gehörig unterhalten wird. § 3 - Neben dieser
Armee bestehen noch Reserve-Bataillons und die Landwehr. § 4 - (1) Die
Reserve-Bataillons sind zur Verstärkung des stehenden Heeres bestimmt, und
theilen im Falle des Aufgebots alle Verpflichtungen, Ehren und Vorzüge mit
demselben. (2) Im Frieden
bleibt sämmtliche in den Reserve-Bataillons eingereihte Mannschaft, die zu den
Waffenübungen erforderliche Zeit ausgenommen, in ihrer Heimath, frey von allem
militairischen Zwange, bloß der bürgerlichen Gerichtsbarkeit und den
bürgerlichen Gesetzen unterworfen, ohne an der Veränderung des Wohnsitzes, der
Ansässigmachung oder Verehelichung gehindert zu sein. § 5 - (1) Die
Landwehr kann in Kriegszeiten zur Unterstützung der schon durch die
Reserve-Bataillons verstärkten Armee auf besondern Königlichen Aufruf jedoch
nur innerhalb der Grenzen des Reichs, in militairische Thätigkeit treten. (2) Zur
zweckmäßigen Benützung dieser Masse wird dieselbe in zwey Abtheilungen
ausgeschieden, deren zweyte die zur Mobilisirung weniger geeigneten Individuen
begreift, und in keinem Falle außer ihrem Bezirke verwendet werden soll. (3) In
Friedenszeiten wirkt die Landwehr zur Erhaltung der innern Sicherheit mit, in
so ferne es erforderlich ist, und die dazu bestimmten Truppen nicht hinreichen. § 6 - Die Armee
handelt gegen den äußern Feind und im Innern nur dann wenn die Militaire-Macht
von der competenten Civil-Behörde förmlich dazu aufgefordert wird. § 7 - Die
Militaire-Personen stehen in Dienstsachen, dann wegen Verbrechen oder Vergehen
unter der Militaire-Gerichtsbarkeit, in Real- und gemischten Rechtssachen aber
unter den bürgerlichen Gerichten. Titel
X Von
der Gewähr der Verfassung § 1 - (1) Bey dem
Regierungs-Antritte schwört der König in einer feyerlichen Versammlung der
Staats-Minister, der Mitglieder des Staats-Raths und einer Deputation der
Stände, wenn sie zu der Zeit versammelt sind, folgenden Eid: "Ich schwöre
nach der Verfassung und den Gesetzen des Reichs zu regieren, so wahr mit Gott
helfe und sein heiliges Evangelium". (2) Ueber diesen
Act wird eine Urkunde verfaßt, in das Reichs-Archiv hinterlegt und beglaubigte
Abschrift davon der Stände-Versammlung mitgetheilt. § 2 - (1) Der
Reichs-Verweser leistet in Beziehung auf die Erhaltung der Verfassung den Titel
II § 16 vorgeschriebenen Eid. (2) Sämmtliche
Prinzen des Königlichen Hauses leisten nach erlangter Volljährigkeit ebenfalls
einen Eid auf die genaue Beobachtung der Verfassung. § 3 - Alle
Staatsbürger sind bey der Ansässigmachung und bey der allgemeinen
Landes-Huldigung, so wie alle Staatsdiener bey ihrer Anstellung verbunden
folgenden Eid abzulegen: "lch schwöre Treue dem Könige, Gehorsam dem
Gesetze und Beobachtung der Staats-Verfassung, so wahr mit Gott helfe und sein
heiliges Evangelium". § 4 - Die
Königlichen Staats-Minister und sämmtliche Staatsdiener sind für die genaue
Befolgung der Verfassung verantwortlich. § 5 - Die Stände
haben das Recht, Beschwerden über die durch die Königlichen Staats-Ministerien
oder andere Staatsbehörden geschehene Verletzung der Verfassung in einem
gemeinsamen Antrag an den König zu bringen, welcher denselben auf der Stelle
abhelfen, oder, wenn ein Zweyfel dabey obwalten sollte, sie näher nach der
Natur des Gegenstandes durch den Staatsrath oder die oberste Justiz-Stelle
untersuchen und darüber entscheiden lassen wird. § 6 - (1) Finden
die Stände sich durch ihre Pflichten aufgefordert, gegen einen höhern
Staats-Beamten wegen vorsetzlicher Verletzung der Staats-Verfassung eine
:förmliche Anklage zu stellen, so sind die Anklags-Puncte bestimmt zu
bezeichnen und in jeder Kammer durch einen besondern Ausschuß zu prüfen. (2) Vereinigen
sich beyde Kammern hierauf in ihren Beschlüssen über die Anklage, so bringen
sie dieselbe mit ihren Belegen in vorgeschriebener Form an den König. (3) Dieser wird
sie sodann der obersten Justiz-Stelle ù in welcher im Falle der nothwendigen
oder freywilligen Berufung auch die zweyte Instanz durch Anordnung eines andern
Senats gebildet wird ù zur Entscheidung übergeben und die Stände von dem
gefällten Urtheile in Kenntniß setzen. § 7 - (1)
Abänderungen in den Bestimmungen der Verfassungs-Urkunde oder Zusätze zu
derselben können ohne Zustimmung der Stände nicht geschehen. (2) Die Vorschläge
hiezu gehen allein vom Könige aus, und nur wenn Derselbe sie an die Stände
gebracht hat, dürfen diese darüber berathschlagen. (3) Zu einem
gültigen Beschlusse in dieser höchst wichtigen Angelegenheit wird wenigstens
die Gegenwart von drey Viertheilen der bey der Versammlung anwesenden
Mitglieder in jeder Kammer und eine Mehrheit von zwey Drittheilen der Stimmen
erfordert. (4) Indem Wir
dieses Staats-Grundgesetz zur allgemeinen Befolgung und genauen Beobachtung in
seinem ganzen Inhalte, einschlüssig der dasselbe ergänzenden und in der
Haupt-Urkunde als Beylagen bezeichneten Edicte hierdurch kund machen, so
verordnen Wir zugleich, daß die darin angeordnete Versammlung der Stände zur
Ausübung der zu ihrem Wirkungskreise gehörigen Rechte am 1. Januar 1819
einberufen, und inzwischen die hiezu erforderliche Einleitung veranstaltet
werde. Maximilian Joseph FONTE: |
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